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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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eigenes Atelier einrichten müssen, und du weißt es doch am besten – Schmiedematerialien kosten ein Vermögen! Ich dachte mir, wenn diese Materialien nicht mehr in Gebrauch waren, würde sie auch keiner vermissen. Herrgott, was glaubst du denn, warum ich mich so haargenau an die Etiketten unter den Lötblöcken erinnere oder an das kleine lila Blümchenmuster auf den feuerfesten Handschuhen? Weil ich eine ganze Kiste davon aus dem Regal geklaut habe, auf dem ›Bitte nicht verwenden und nicht anfassen‹ stand, weil ich alles eingepackt und mit nach New York genommen habe und weil ich jahrelang in Brooklyn damit gearbeitet habe! Das ist genau so, als hätte ich jahrzehntelang zwei Päckchen Zigaretten am Tag geraucht, um dann total überrascht zu tun, wenn ich an Lungenkrebs erkranke, ich wusste ja, dass das Zeug giftig war, und habe es trotzdem benutzt, weil ich – zu verflucht geizig war!«
    Ah. Seinetwillen war Shep erleichtert. Da der ursprüngliche Warnruf von der Verkaufsabteilung von Forge Craft selbst ausging, würden sie die Klage zurückziehen müssen. Auch wenn die aufrichtige Erklärung nicht verbrieft war, wäre es nicht richtig, aus opportunistischer Gewinnsucht die Klage weiter zu verfolgen. Um sie zu schützen, könnte er Mystic ja vielleicht erklären, dass sie nicht mehr die Kraft habe, um eine Aussage durchzustehen. Somit würde er um einen mühsamen Rechtsstreit herumkommen, dessentwegen er von Anfang an ein mulmiges Gefühl gehabt hatte.
    Sie leistete keinen Widerstand, als er auf ihre Seite des Sofas rutschte und ihr den Arm um die Schultern legte. »Es ist wirklich paradox«, murmelte er. »Eine der Eigenschaften, die ich so reizvoll an dir fand, als wir uns kennenlernten, war deine Sparsamkeit. Für deine Werkbank in Brooklyn hast du knallhart verhandelt.« Er lachte in sich hinein. »Was du ausgeben wolltest, hat kaum die Materialkosten gedeckt. Ich habe für fast nichts gearbeitet – da wurde mir klar, diese Frau muss es mir total angetan haben. Für niemand anders hätte ich umsonst gearbeitet. Aber ich wollte dich ficken«, sagte er leise in ihr Ohr, und allein bei diesen Worten wurde er hart. »Ich wollte dich um jeden Preis ficken.«
    »Ich versteh nicht, wie du dich dazu bringen kannst, noch immer mit mir zu reden«, sagte Glynis, die Stimme gedämpft durch sein Hemd. Sie hatte seine Erektion bemerkt und legte ihm behutsam die Hand in den Schritt. Sie streichelte ihn, während er zur gleichen Zeit ihre Schulter streichelte, als wäre er ein geliebtes älteres Haustier. »Nachdem ich dich beschuldigt habe. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, was mich dazu getrieben hat. Außer, dass es so schwer zu akzeptieren war … die Diagnose … was mit mir passieren würde, die Operation, die Behandlungen … Ich konnte einfach nicht auch noch mit der Schuld umgehen. Es war zu viel. Es war ja nicht so, als hätte ich vergessen, dass ich auf der Kunstschule diese Materialien aus dem Schrank geklaut hatte. Ich habe mich der Tatsache nur nicht … zugewandt . Aber mich gegen dich zu wenden, dir die Schuld zu geben – weil du eben da warst –, weil du stark warst und ich dachte, du könntest ertragen, was für mich unerträglich war – weil es eine bessere, plausiblere Geschichte ergab, die ich anderen Leuten besser erzählen konnte … das war nicht gerecht, und ich weiß nicht, ob du mir jemals verzeihen kannst.«
    »Ich rede immer noch mit dir, viel mehr noch«, flüsterte er und küsste sie auf den glatten Schädel. »Irgendwann hast du ja woanders die Schuld gesucht, und das war schön. Danach war es leichter für mich, weil ich nicht mehr glauben musste, dass ich deine Krankheit verursacht habe, nur weil ich dich …« – es war tatsächlich schwer, den Satz auszusprechen, ohne dass ihm die Stimme versagte – »umarmt habe, wenn ich nach Hause kam.«
    Shep haderte noch mit sich, ob er mit seinem Ständer etwas anfangen oder einfach nur den Zustand genießen sollte, dieses beharrliche, pumpende Zucken, das ihm wieder das Gefühl gab, jung zu sein und verheiratet – als das Telefon klingelte. Er hätte es ignorieren können, aber hin und wieder gehörte es sich eben, daran zu denken, dass er auch noch einen Sohn hatte, der eigentlich schon längst aus der Schule hätte zurück sein müssen. Da die Eltern des armen Jungen seit über einem Jahr in jedweder Hinsicht unansprechbar waren, konnten sie sich wenigstens herablassen, ans Telefon zu gehen.
    Es war nicht Zach. Als er die

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