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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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verkündete Flicka: »Ich ess ja schon.«
    »Der Schlauch wird sich schwer ausspülen lassen«, sagte Carol und ließ sich zu einem Hauch von Frostigkeit hinreißen. Dann klingelte das Telefon. »Schatz, könntest du bitte rangehen? Ich muss hier erst mal ein bisschen sauber machen.«
    »DAS WAR’S«, VERKÜNDETE Jackson knapp, als er zurück in der Küche war. »Er kommt nicht.«
    »Er kommt nicht, oder er fährt nicht?«
    »Weder noch.«
    Carol stellte noch zwei Teller raus, und er nahm ein Flackern in ihrem Gesicht wahr.
    »Und wieso macht dich das jetzt so verdammt glücklich?«
    »Ich habe doch gar nichts gesagt!«
    »Du freust dich, stimmt’s?«
    Carol nickte diskret in Flickas Richtung und schüttelte den Kopf, als hätte er laut geschrien. »Ich freue mich«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie ein Küchenspachtel beim Verteilen einer Frischkäseglasur, »für Glynis.«
    »Das lass mal lieber.«
    HANDY RANDY HATTE zwar in die anderen Stadtbezirke expandiert, aber Hauptsitz und Lager befanden sich noch immer auf der 7th Avenue in Park Slope, kaum eine Meile von Windsor Terrace entfernt. Da er zur Arbeit laufen konnte, war es für Jackson kein Problem, am nächsten Montag zeitig im Büro zu sein, um die spöttische Grundstimmung wenigstens auf ein Minimum zu reduzieren, bevor Shep durch die Tür trat. Er strahlte bewusst eine fürsorgliche Geladenheit und Gewaltbereitschaft aus, was ihm unter den Umständen nicht schwerfiel. Dennoch herrschte im Büro eine Atmosphäre von kaum verhohlener Heiterkeit; der Buchhalter, der Webdesigner, der Disponent – alle bis hin zur Empfangsdame sahen aus, als müssten sie an sich halten, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Als Shep tatsächlich durch die Tür trat, schien er sich wenig daran zu stören, dass die restliche Belegschaft plötzlich verstummte, und mit roboterhafter Passivität, die Jackson irgendwie bekannt vorkam, ging er auf seine Wabe zu; vielleicht waren sich Shep und Carol vom Temperament her gar nichtso unähnlich. Egal, was ihm das Leben Übles bescherte – das »Leben« war noch milde ausgedrückt; besser gesagt, was andere Leute ihm Übles bescherten –, Shep absorbierte es ebenso wie die sorglose Weggucknummer seiner Familie, als er vom Sarg bis zur Leberpastete die Beerdigung seiner Mutter bezahlte; die ganze Gesellschaft verhielt sich, als wäre die Übernahme all dieser Kosten wie ein Furz, den man höflich schweigend überging. Als Mark, der Webdesigner, den Jackson am Freitag noch in die Schranken gewiesen hatte, schelmisch fragte: »Wie, gar nicht braun geworden?«, gab Shep milde zurück, dass der Himmel verhangen gewesen sei. Er saß an seinem Arbeitsplatz und klickte sich durch die Beschwerdemails; Jackson konnte von der anderen Seite des Raums erkennen, dass es nicht wenige waren.
    Es war heiß. Jackson hatte sich angewöhnt, in den Wintermonaten kurzärmlige Sachen anzuziehen, um nicht nass geschwitzt nach Hause zu kommen. Pogatchnik drehte die Heizung immer auf volle Pulle, und sei es, um Shep zu ärgern, der die Verschwendung beklagte. Genau darum ging es aber ihrem Wichser von einem Chef: um die Verschwendung. Ein Betrieb, der seine Räumlichkeiten im Januar auf tropische Temperaturen aufheizte und im August auf arktische Gefriergrade herunterkühlte, sollte die Kunden glauben machen, der Laden liefe prächtig. Es sei ein Zeichen der Prosperität, ähnlich wie Fettleibigkeit einst ein Zeichen des Wohlstands war: Früher konnte man es sich leisten, sich zu überfressen; heute konnte man es sich leisten, seine Räume zu überheizen. Shep hatte eingewendet, ihm leuchte nicht ein, wie sich ein halbwegs gesunder Mensch in der einen Saison bei dreißig Grad und in der anderen bei zwölf Grad wohlfühlen könne, doch jede Meinungsäußerung gegenüber Pogatchnik war ein Schuss, der nach hinten losging, und das letzte Mal, als Shep höflich darum gebeten hatte, das Thermostat herunterzudrehen, ging der Regler um zwei Grad hoch. Jede von Pogatchnik eingeführte Neuerung war eigens darauf zugeschnitten, Shep Knacker zu ärgern, bis hin zu einem Fortbildungsseminar zum Thema »Umgang mit schwierigen Kollegen«. Wobei doch Pogatchnik selbst der schwierige Kollege war.
    Um elf ließ sich ihr Chef herab, ins Büro geschlendert zu kommen. Er steuerte direkt auf Sheps Wabe zu. »Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen, Knacker.«
    »Richtig«, sagte Shep mit steinerner Miene.
    »Also?«
    »Ich entschuldige mich.«
    Pogatchnik baute sich

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