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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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weil du die Hosen voll hattest oder weil du ein Spinner bist. Sie würden dir das Leben jedenfalls weniger schwer machen.«
    »Glynis will nicht, dass es alle erfahren. Dir und Carol durfte ich es sagen. Aber sonst geht es nur sie was an. Ich hab nicht vor, mir auf ihre Kosten mein Arbeitsleben angenehmer zu machen. Es ist ohnehin nicht angenehm und wird’s auch nie sein, insofern ist es egal.«
    »Was meinst du denn, warum sie es geheim halten will?«
    Shep zuckte mit den Achseln. »Privatsache. Und wenn man’s jedem auf die Nase bindet, wird es plötzlich real.«
    »Aber es ist doch real.«
    »Allerdings«, sagte Shep.
    »Hör zu«, sagte Jackson, als sie sich auf den Rückweg machten. »Willst du noch auf ein Bier bei uns vorbeikommen, bevor du zurück nach Elmsford fährst?«
    Es war offensichtlich, dass die Aussicht, irgendetwas aus Spaß zu tun oder zum Trost oder aus irgendeinem Grund, der mit ihm selbst zusammenhing oder mit dem, was er »wollen« könnte, Shepherd Knacker über Nacht fremd geworden war, doch Jackson hatte ihn um etwas gebeten, also würde er es tun. »Klar«, sagte er.
    »ICH KANN ABER nicht lange bleiben«, sagte Shep warnend, als er sie zur Windsor Terrace fuhr.
    »Das macht nichts. Wir haben sowieso um neun ein Treffen mit unserer FD-Selbsthilfegruppe. Mir graut schon wieder davor. Es wär ja noch auszuhalten, wenn es einfach darum ginge, sich mit den Leuten über die Nebenwirkungen der Medikamente auszutauschen. Aber diese ganze Sache mit dem Judentum wird mir etwas zu viel. Versteh mich nicht falsch, ich gehöre nicht zu diesen Juden, die in Selbsthass schwelgen. Ich bin einfach nur nicht sonderlich, na ja, jüdisch.« Jackson plauderte drauflos, aber einer musste ja schließlich reden, wenn hinterm Steuer ein Zombie saß. »Meine Mutter ist nichtpraktizierend, und mein Vater hat diese Baskennummer am Laufen, was ja durchaus was hat – nicht, dass ich deswegen jetzt irgendwelche spanischen Politiker in die Luft jagen wollte oder so. Und Carol, na ja, sie ist katholisch erzogen worden. Sie hatte einen Großvater väterlicherseits, der Aschkenase war. Also werden wir in unserer Gruppe ständig bedrängt, Flicka mit gefilte Fisch zu füttern, dabei ist sie ja streng genommen nicht mal jüdisch. Und dann diese ganzen orthodoxen Irren … Wenn sie heiraten, weigern sich die Paare, den DNA-Test machen zu lassen. Selbst die, die schon ein Kind mit FD haben, lassen keine Fruchtwasseruntersuchung vornehmen. In Crown Heights gibt’s eine Familie, die hat gleich drei davon. Das ist doch die gerechte Strafe für so viel Blödheit. Weil, natürlich sind die Juden gegen Abtreibung. Und trotzdem erzählen einem sämtliche Rabbiner aller Formen des Judentums – von den Reformjuden bis zu den Ultraorthodoxen –, wenn der Fötus FD hat, dann weg damit. Nach dem Motto, Gott will nicht, dass es leidet. So weit ist es nämlich schon gekommen. So was macht mich total fertig, verstehst du? Vermutlich liegt es am jüdischen Glauben , und eigentlich sollte man sich doch aussuchen können, woran man glaubt. Aber nein. Diese verfluchten Gene verfolgen mich, Mann, durch die Generationen hinweg.« In Anbetracht der Umstände hätte Jackson eigentlich nicht in eigener Sache klagen sollen, und er hielt den Mund.
    Carol und Shep umarmten sich zur Begrüßung, und Carol sagte, es täte ihr unendlich leid. Sie setzten sich in die Küche. Shep erklärte, dass er das Wochenende hauptsächlich im Internet verbracht hatte, und erzählte ihnen, was er wusste. Er werde sich Ende der Woche einen Tag freinehmen, um mit Glynis zu einem Onkologen zu gehen, und danach werde man klüger sein. Carol fragte, wie Glynis seiner Meinung nach die Sache aufgenommen habe, und Shep sagte, sie sei stinksauer, aber sie sei ja immer stinksauer, also schwer zu sagen. Dann fragte Carol, wie Shep die Sache aufgenommen habe, aber die Frage schien für ihn irrelevant zu sein. Er habe natürlich Angst, sagte er, könne sich Angst aber eigentlich nicht leisten oder sonst irgendein Gefühl. Ich bin derjenige, der alles zusammenhalten muss. Also spielt es keine Rolle, wie es mir geht. Ich spiele keine Rolle mehr . Es war seine erste wirklich leidenschaftliche Äußerung an diesem Tag.
    Carol sagte, schade wegen Pemba, wobei Shep genau wusste, dass sie die Sache von vornherein für eine Schnapsidee gehalten hatte. Sein »Jenseits« über Bord zu werfen, komme ihm jetzt schon wie eine Lappalie vor, sagte er, als wär’s ewig her. Das einzig Gute

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