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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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weiter vor Sheps Schreibtisch auf und schien noch nicht zufrieden zu sein.
    »Ich möchte mich in aller Form entschuldigen«, sagte Shep. »Ich hatte wohl einen schlechten Tag.«
    »Nur weil der Betrieb Ihnen gehört hat, als er noch ein mieser kleiner Eckladen war, heißt das noch lange nicht, dass Sie hier Sonderrechte genießen. Diesmal will ich ein Auge zudrücken, aber jeden anderen Mitarbeiter hätte ich vor die Tür gesetzt. Allerdings, da Sie ja ein anderer Mitarbeiter sind  –«
    »Ich bin sehr dankbar für Ihr Entgegenkommen. Ich erwarte überhaupt keine Sonderbehandlung. Es kommt nicht wieder vor.«
    Jackson, der aus sechs Meter Entfernung diese groteske öffentliche Selbstkasteiung mit anhören musste, hatte eine gute Vorstellung davon, warum in allen Winkeln der Nation die Angestellten mit einer Tasche voller Automatikwaffen zur Arbeit fuhren. Vor allem der »miese kleine Eckladen« war ein Schlag ins Gesicht. Shep hatte Allrounder genau zu der Zeit verkauft, als das World Wide Web im großen Stil abhob; wie hätte er ahnen sollen, dass der Heimwerkerservice im Internet florieren würde? Nachdem Pogatchnik die Domain www.handiman.com gesichert hatte (www.handyman.com war schon vergeben, aber so fingen sie eben diejenigen Kunden, die nicht buchstabieren konnten; da sie in Amerika waren, hatte das dem Geschäft keinerlei Abbruch getan), war ihr Kundenstamm regelrecht explodiert. Pogatchnik rechnete sich den Erfolg als seinen eigenen Verdienst an, als habe er das Internet persönlich erfunden. Jetzt war die Firma wahrscheinlich viermal so viel wert wie das, was der Mistkerl dafür hingeblättert hatte, und Pogatchnik hatte sogar einen Fernsehwerbespot geschaltet, in dem er höchstpersönlich in Anlehnung an Sammy Davis jun. fürchterlich schief »The handyman can, oh, the handyman can!« schmetterte und bei dem Jackson mit nahezu hysterischer Dringlichkeit den Sender wechselte. Damals war es der Wahnsinn gewesen, dieser fette Scheck über eine Million, doch inzwischen hatte sich herausgestellt, dass der Verkauf von Allrounder das Dümmste war, was Shep jemals getan hatte.
    Als die beiden sich zu Mittag in einem Café in derselben Straße ihr übliches Sandwich holten – Jackson hätte auch ohne den ganzen Büffelmozzarella- und Prosciuttoquatsch leben können, war ja im Grunde nichts anderes als Schinken und Käse –, musste er einfach fragen: »Was sollte denn diese Mea-Culpa-Arschkriecherei vorhin bei Pogatchnik?«
    Shep war zwar immer schon ein eher ruhiger Mensch gewesen, aber selbst für seine Verhältnisse war er heute Morgen unmenschlich temperamentlos, bis zur Selbstlosigkeit kooperativ. Man hätte ihn einem Alkoholtest unterziehen und ihn seine Nasenspitze berühren, auf einem Bein stehen und rückwärts in Siebenerschritten von hundert bis null zählen lassen können, und er hätte nicht mal gemerkt, dass man gar kein Bulle und er gar nicht Auto gefahren war.
    »Ach so«, sagte Shep monoton. »Als ich am Freitag bei Randy raus bin« – er nannte die Firma sonst nie Randy, sondern immer Allrounder; Herrgott, der arme Kerl hörte sich an wie Paul Newman, der in Der Unbeugsame tagelang in Einzelhaft sitzt und anschließend nur noch willenlos »ja, Sir, ja, Sir« sagen kann –, »ich glaube, ich hab da so was gesagt wie ›Mach’s gut, Arschloch‹. Ist mir rausgerutscht. Ich hab ja gedacht, ich komm nicht wieder.«
    »Okay, ich versteh ja, dass du dich bei ihm entschuldigst, aber musstest du ihm auch noch die Füße küssen?«
    »Ja, musste ich.«
    Jackson überlegte. »Die Krankenversicherung.«
    »Richtig.« Shep nahm einen Bissen von seinem Sandwich und legte es wieder hin. »Du kannst mir gern widersprechen, aber ich hatte den Eindruck, meine Kollegen waren im Bilde, dass ich ursprünglich eine Exkursion geplant hatte. Dass ich heute zur Arbeit gekommen bin, schien einige Leute zu belustigen.«
    »Hör zu, es tut mir leid. Letzte Woche hat Mark wieder gelästert, und – na ja, vielleicht hätte ich die Klappe halten sollen. Aber ich war mir so sicher, dass du diesmal wirklich fährst … Ich will mich nicht rausreden, aber es wäre für uns beide einfacher gewesen, du hättest vor Jahren deinen großen Plan für dich behalten.«
    »Vor Jahren hatte ich aber keinen Grund dazu. Es war einfach das, was ich vorhatte.«
    »Trotzdem, ich wünschte, du würdest es den Kollegen erzählen, das mit Glynis. Sie nicht in dem Glauben lassen, dass du bloß deshalb nicht nach Pemba gefahren bist,

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