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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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waren wahrscheinlich harmlos, und sie konnte sich im Freundeskreis damit brüsten, auf »Cortomalaphrin« zu sein. Die meisten Kinder in Heathers Grundschule wurden mit Medikamenten vollgepumpt, und offenbar war eine Diagnose das Must-have ihrer Generation, ähnlich wie in den Sechzigerjahren die Wildlederjacken mit Fransen. Aber was ihn an dieser Placebosache wirklich verblüffte, war, dass die ohnehin kräftig gebaute Heather anfing zuzunehmen, kaum dass sie mit der Pilleneinnahme begonnen hatte. Es waren nicht die Pillen selbst, die pro Stück keine fünf Kalorien enthalten konnten; es war reine Einbildung. Ihre Mitschüler, die Antipsychotika und Antidepressiva und alle möglichen anderen Antiproblem-Medikamente schluckten, waren allesamt Fettsäcke.
    Es trieb Jackson fast zur Verzweiflung, dass Heather sich mit ihren elf Jahren schon als Mitläuferin entpuppte. Dieser Impuls, genauso sein zu wollen wie alle anderen, wo alle anderen totale Vollidioten waren, war ihm immer unbegreiflich gewesen. Selbst als Junge hatte Jackson schon auffallen wollen; die Altersgruppe ihrer Tochter hingegen schien davon getrieben, mit der Menge zu verschwimmen. Die Ausnahmen, die einzig wirklich ehrgeizigen Kinder, die sich unbedingt hervortun wollten, kamen mit einem Waffenlager unterm Trenchcoat in die Schule.
    Aber vielleicht war er ja selbst viel mehr Konformist, als er zugeben wollte. Heathers Name zum Beispiel. Sie hatten ihn gewählt, weil sie ihn für ungewöhnlich hielten. Jetzt waren noch drei andere Heathers in ihrer Klasse. Er hatte keine Ahnung, wie die Sache mit der Namensgebung funktionierte. Da denkt man, dass niemand den Namen je zuvor gehört hat, und dann liegt er in der Luft wie ein Geruch oder ein Gas, und jedes schwangere Pärchen in der Straße beschließt, sein Kind Heather zu nennen, weil der Name ja so ungewöhnlich sei. Zumindest aber wimmelte durch irgendein Wunder die Highschool ihrer Erstgeborenen nicht von Flickas, Carols vorpubertärem Pferdebuchfimmel sei Dank. Da, schon wieder, sagte er verärgert zu sich. Schon wieder Flicka. Du bist nicht in der Lage, auch nur zehn Sekunden über deine jüngere Tochter nachzudenken. Aber eine Zeit würde kommen, vielleicht schon bald, da würde er über Heather nachdenken müssen, weil Heather dann seine einzige Tochter sein würde.
    »Jackson, soll ich den Kindern schon mal ihr Essen geben? Es wird spät.«
    »Ja, denk ich schon. Shep und Glynis haben sich bestimmt in die Haare gekriegt. Wie ich Glynis kenne, lässt sie ihn bestimmt nicht ohne Streit aus dem Haus. Wer weiß, wann er hier aufschlägt.«
    »Schatz«, sagte Carol sanft. »Du solltest dich darauf einstellen, dass er möglicherweise kalte Füße kriegt. Oder zurück auf den Teppich kommt und feststellt, dass er einen Sohn und eine Frau und ein Leben hat und dass die Sache mit Pemba einfach lächerlich ist. Nelken. Also ehrlich.« Es war eine eigentümlich weibliche Form der Herablassung: Ach, diese Männer mit ihren jugendlichen Ideen, ihren eitlen, unpraktischen kleinen Projekten.
    Jackson verzog wütend das Gesicht. Es war wieder einmal so ein Moment, da war der Anblick seiner Frau eine echte Tortur. Sie war unglaublich schön. Es war vielleicht ein wenig missgünstig, aber es brachte ihn zur Verzweiflung, dass sie älter geworden und noch immer genauso sexy war wie eh und je, groß – größer als er –, mit langen rotbraunen Haaren und vollkommenen runden Brüsten von der Größe halber Grapefruits. Sie hatte nie ein Gramm zugenommen. Aber nicht weil sie Diäten gemacht oder regelmäßig zum Joggen gegangen wäre, sondern weil sie ständig fünfundachtzig Pfund zappelndes und würgendes Fleisch ins Bett hieven oder auf die Intensivstation schleppen musste. Er war inzwischen nicht mehr sicher, ob Carol schon immer diese wie gemeißelte und teilnahmslose Miene gehabt hatte oder ob sie ihre Gelassenheit und Selbstbeherrschung erst entwickelte, um auf Flicka beruhigend zu wirken. Jedenfalls war sie seit Jahren derart schwer aus der Fassung zu bringen, dass er es aus Prinzip immer wieder versuchte.
    Er war stolz darauf, in Gesellschaft anderer Männer und deren aus der Form gegangener Ehefrauen mit ihr gesehen zu werden, aber hier zu Hause war der einzige erwachsene Mensch, von dem sie sich abhob, er selbst. Hässlich war er nicht gerade, aber er machte sich seine Gedanken, dass sie zu den Paaren zählen könnten, über die sich andere Leute insgeheim mokierten, nach dem Motto: Carol ist ja echt der

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