Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
an dieser furchtbaren Schicksalswendung sei die Einsicht in das, was wirklich wichtig sei. Jetzt müsse er nicht mehr entscheiden, ob er fahren wolle oder nicht, denn nachdem Glynis ausgepackt hatte, gab es keine Wahl mehr. Pemba war gestorben. Es war, als sei die ganze Insel im Meer versunken. Man würde es nicht für möglich halten, sagte er, aber er habe in seinem ganzen Leben noch nie so einen Moment erlebt, wo alles auf einmal ganz einfach ist. Shep fragte sich laut, ob diese Sache aus heiterem Himmel insgesamt eine perverse Form von göttlicher Intervention darstellte. Er hatte nicht ohne Glynis und Zach nach Pemba gehen wollen. Er sollte nicht ohne sie gehen, und jetzt konnte er nicht. Es war eine saubere Sache. In diesem Sinn war die Planänderung eine Erleichterung. Das Nicht-zögern-Müssen. Die große und grell leuchtende Offensichtlichkeit dessen, was er zu tun hatte. Und ja auch tun wollte, wie Shep emphatisch hinzufügte. Glynis braucht mich. Vielleicht brauchte sie mich schon vorher, aber da war es nicht so deutlich. Als Shep sagte, es sei gutes Gefühl, dass seine Frau ihn brauchte, war Jackson ein wenig neidisch, ohne genau zu wissen, warum.
So vertrauensselig war Shep normalerweise nicht. Als er jetzt ausbuchstabierte, dass er Glynis liebte und dass ihm zuvor gar nicht klar gewesen sei, wie sehr, und dass er das, was er noch vor einer Woche als letzte Möglichkeit der Selbstrettung entworfen hatte, inzwischen bereute, war Jackson sowohl gekränkt als auch gerührt. Jackson dachte darüber nach, wie sehr Flicka ihn und Carol verändert hatte und dass manche dieser Veränderungen schlecht waren, zum Beispiel, dass sie wegen der spätnächtlichen Fütterungsaktionen so wenig Schlaf bekamen, dass sie nur noch selten Sex hatten, aber wie manche Veränderungen auch gut waren. Die Veränderungen waren notwendig. Sie hatten ein gemeinsames Projekt, das lebenswichtiger war als Sex und, wie sich herausstellte, weitaus intimer, was ihn erstaunte. Vielleicht hatte eine Frau, die ihren möglicherweise bevorstehenden Tod verkündete, einen ähnlichen Effekt der Neuordnung, vielleicht führte sie die beiden Ehepartner auf eine Art und Weise zusammen, die nicht vollkommen hoffnungslos und immer nur furchtbar war.
Doch als Shep fortfuhr und sagte, wie froh er sei, dass er nicht mehr die Verantwortung übernehmen müsse dafür, »Glynis zu verlassen« und »seinen Sohn zu verlassen«, erschrak Jackson. Shep sagte, durch die Diagnose sei, um mit seinem Vater zu sprechen, »der Kelch an ihm vorbeigegangen«, und Jackson dachte, ohne es auszusprechen, dass die einzige Verwandlung, die er nicht hinnehmen würde, die plötzliche Verchristlichung seines Freundes wäre. Stattdessen sagte er, eigentlich komisch, die Verantwortung bist du los, indem du die volle Breitseite abbekommst. Stimmt, sagte Shep, aber jetzt fühl ich mich mehr wie ich selbst. Normaler. Weil ich das Richtige tue. Mich um meine Frau kümmere. Ich fand ja schon, sagte Carol behutsam, dass dieses Einfach-so-Verschwinden dir nicht ähnlich gesehen hätte. Nein, sagte Shep mit einem Anflug von Trauer. Ganz bestimmt nicht. Wie auch immer, sagte Carol. Es kommt immer anders, als man denkt … Ja, pflichtete Shep ihr bei, dass wir uns überhaupt noch die Mühe machen, irgendetwas zu planen. Der philosophische Ton machte ihn älter, und Jackson bemerkte die Jungenhaftigkeit seines besten Freundes erst jetzt, wo sie nicht mehr da war.
Wie immer bei feinfühligeren Leuten erinnerten die eigenen Probleme daran, dass andere Menschen auch ihre Probleme hatten, dass es überhaupt auch noch andere Menschen auf der Welt gab. Also hielt sich Shep nicht beim Thema Glynis und Pemba auf, sondern fragte nach Flicka – die Mädchen saßen oben bei den Hausaufgaben –, und er besaß den Anstand, auch nach Heather zu fragen. Er fragte sogar nach Carols Arbeit, was eigentlich nie jemand tat, weil ihre Arbeit so langweilig war, und er fragte Carol, ob sie die Landschaftsgärtnerei nicht vermisse. Doch, sagte sie, die körperliche Arbeit, das Arbeiten mit der Erde. Ihm gehe es genauso, sagte Shep, ihm fehle das Reparieren, er wolle den Leuten das Leben spürbar erleichtern und die Früchte seiner Arbeit sehen, statt bloß am Telefon dafür zu sorgen, dass irgendein vermurkster Job in Ordnung gebracht werde. Er entschuldigte sich, aber er könne sich nicht genau erinnern; er wusste, dass Carol teilweise auch deshalb im Marketing für IBM jobbte, weil sie von überall aus
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