Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
Times genießen zu können. Stattdessen zog er den ersten seiner Krimis von Ruth Rendell oder Walter Mosley hervor, die sein Sohn im Gepäck hatte – jene Prosa, die Gabriel Knacker auf der Treppe in der Mt. Forist Street zum Verhängnis geworden war. Nachdem sie Hauptzelt und Badezimmer erkundet, mit der Außendusche herumexperimentiert, sich im Obergeschoss des Nachbarzelts umgesehen sowie mit dem Perlenvorhang aus Mangrovenkernen gespielt hatte, quetschte sich Heather in ihren Badeanzug und trollte sich hinunter ans Wasser. Carol hatte ein Auge auf sie, doch es war Ebbe, und das Mädchen lief zehn Minuten hinaus, und das Wasser ging ihr noch immer erst über die Knie. Soweit Shep erkennen konnte, hatte Heather nach einer einzigen Stunde in Fungu mehr Bewegung bekommen als in den letzten zehn Jahren zusammen.
Er bettete Glynis auf die breite Matratze unter dem Baldachin. Auf seine Bitte hin tauchte prompt ein Hotelangestellter mit einem frischen Glas Maracujasaft mit Strohhalm auf, wobei er seiner Frau zudem einen kleinen Begrüßungsschluck Champagner einflößte. Vorsichtig befreite er sie aus ihrem Velouranzug – es war das einzige Kleidungsstück, das sie noch auf der Haut ertragen konnte – und zog ihr behutsam ein zartes Musselinkleid über, das er gleich bei der Ankunft im Souvenirladen erstanden hatte. Glynis fuhr mit der Hand über das gestärkte und gebügelte weiße Bettzeug und warf einen Blick nach oben auf das zusammengeraffte Moskitonetz.
»Das ist also mein Totenbett«, sagte sie schlicht.
»Besser als dieses Knäuel aus Bettdecken im Crescent Drive, meinst du nicht? Und hier müssen wir wenigstens nicht draufzahlen, um den Raum auf dreißig Grad aufzuheizen.«
Sie lächelte. »Aber was mache ich bloß ohne meine Kochsendungen?«
»Von dem, was ich so auf der Speisekarte im Internet gelesen habe – Wahoo vom Grill, thailändischer Rindersalat, Zitronenbaisertarte –, würde ich sagen, du bist hier in einer Kochsendung.«
»Jedenfalls haut’s mich ganz schön um, Shepherd. Auch wenn die Reise der Horror war.«
»Ich weiß. Ich wusste, es würde der Horror werden.«
»Das könnte ich nicht noch mal. Bloß gut, dass wir für mich nur die Hinreise gebucht haben.«
»Für mich gibt es auch nur die Hinreise.«
»Bist du sicher, dass du bleiben willst?« Dies war ihre erste vorsichtige Erkundigung im Hinblick auf Sheps bevorstehendes Jenseits: auf sein Leben ohne Glynis. »Wir sind doch erst seit ein paar Stunden hier.«
»Noch bevor die Flugzeugpropeller ausgegangen sind, war ich mir sicher. Und dann auf der Fahrt nach Mkoani … Man merkt es den Leuten an, dass sie hier hart arbeiten. Kann sein, dass inzwischen jeder ein Handy hat, aber trotzdem ist alles immer noch ganz schön primitiv. Es gibt mehr Fahrräder und Ochsenkarren als Autos. Wenn du einen Fisch willst, fängst du dir eben einen. Wenn du eine Banane willst, pflückst du dir eine. Mir passt das. Und hast du gesehen, die Männer am Straßenrand – da werden Schuhe neu besohlt, Kühlschränke auseinandergebaut. Ich hab’s so satt, in den Staaten ständig zu hören, ach, die Reparatur würde Sie mehr kosten, als er wert ist, also kaufen Sie sich einfach einen neuen. Auf Pemba sind importierte Waren teuer, Arbeitskräfte sind billig, und die Leute sind arm. Also reparieren sie ihre Sachen und halten die alten Geräte am Laufen. Das kommt mir persönlich mehr entgegen. Es ist ein Paradies für Handwerker. Ich glaube, ich könnte irgendwann dieses Leben hier verstehen. Das andere hab ich, glaube ich, nie verstanden.«
»Ich vielleicht auch nicht«, sagte sie traurig. »Ich habe mich so verstrickt in … du hast ja mit Kunst nichts am Hut, aber in meinem Feld können die Dinge anfangen, einen in Konflikte zu stürzen. Nicht nur mit dem Rest der Welt, sondern mit sich selber. Dieses Hadern mit sich, ob die Sachen, die man macht, irgendetwas taugen. Aber Ruby hat wahrscheinlich recht. Man stellt was her, und dann stellt man beim nächsten Mal wieder was her. Eigentlich wie ein Handwerker. Ganz normal. Hätte ich das bloß von Anfang an erkannt.«
»Dich wegen der Besteckstücke zu grämen, die du vollendet oder nicht vollendet hast – auch das kannst du jetzt loslassen. Sieh dich doch mal um. Spielt das alles noch irgendeine Rolle?«
Der Perlenvorhang aus Mangrovenkernen raschelte sanft in der Brise. Eine grüne Meerkatze wagte sich auf die Veranda und schnappte sich die Hälfte von Gabes gegrilltem Käsetoast. Die Sonne
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