Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
Vom Netzwerk:
konnte seinem Vater in einer engen Flugzeugtoilette assistieren; den Mitpassagieren böse Blicke zuwerfen, da diese so taten, als würden sie Flicka nicht anstarren, während die ihr Oberteil hochzog und mal wieder eine Miniflasche Mineralwasser durch ein Plastikloch in ihren Magen füllte; die eisigen Offerten der Flugbegleiterinnen abwehren, die eigentlich sagen wollten: »Wieso ausgerechnet ich, verdammt noch mal?« oder »Was haben diese Krüppel hier oben in der Luft zu suchen, und wehe, es stirbt mir einer weg, ausgerechnet auf meinem Flug«; Flickas tragbaren Sauerstofftank aus dem Weg schieben, wenn der Getränkewagen vorbeikam; Flicka abwechselnd mit Carol ans Schlucken erinnern; drei komplexe Medikamentepäckchen verteilen und akribisch nach Form und Farbe ordnen, nachdem bei einer Turbulenz eine Schoßladung zu Boden und unter diverse Sitze gerollt war; nach mehr Flugzeugdecken für Glynis bettelnd den Gang hinunterlaufen; in Sansibars heruntergekommenem Flughafen kikois kaufen, um sie in kaltes Wasser zu tauchen und Flicka damit zu kühlen, wobei es wirklich die Rettung war, dass Shep daran gedacht hatte, den kleinen tragbaren Ventilator mitzunehmen, den er in Randys überheiztem Büro auf seinem Computer stehen gehabt hatte – danke, Pogatchnik.
    Der letzte Abschnitt in der ZanAir-Maschine war Übelkeit erregend, die Luftzirkulation war nicht besser als heißer Atem. Alle fächerten sich Luft zu mit den laminierten Notfallinstruktionen, die sie im Hinblick auf das Alter der Maschine besser hätten lesen sollen. Shep hielt seiner Frau die Hand und versuchte auf andere Gedanken zu kommen, indem er seine erste Lektion Suaheli lernte – Sicherheitsgurte befestigen: fungu mikanda ; »Bitte nicht rauchen«: usivute sigara . Drei der Passagiere waren dem Tod ohnehin so nahe, dass sie nicht über die Gefahren für Leib und Leben ins Nachdenken gerieten. Doch als die Flugzeugmotoren ohrenbetäubend zu kreischen begannen, betete er zu Gott, den ersten Zeh auf Pemba aufsetzen zu dürfen, ohne vorher fünftausend Fuß im freien Fall zurückgelegt zu haben.
    Schließlich flog die Propellermaschine ruckelnd über das Flachmeer vor Pemba dahin – einem breiten alabasternen Kräuseln aus Azurblau, Smaragdgrün und Aquamarin von einer Fülle, der man jenseits der Computeranimationen nur selten begegnete –, um dann an einem filigranen, leuchtend weißen Strand entlangzusegeln.
    »Wow«, sagte Flicka und reckte über Heather hinweg den Hals, um aus dem Fenster zu sehen.
    »Iiih, du sabberst mich schon wieder total voll!«, beklagte sich Heather, obwohl sie ohnehin schon mit ihrem Guave-Bananen-Joghurt bekleckert war.
    Auch Glynis klebte an ihrem Fenster. »Shepherd, es ist wunderschön.« Sie seufzte. »Vielleicht hattest du recht.«
    »Herrjemine«, sagte Gabe auf seinem Fensterplatz in der Reihe gegenüber. »Und ich dachte schon, ich würde den Rest meiner Tage damit zubringen, in der Morgentau-Residenz zu sitzen und auf einen billigen Druck von Thomas Hart Benton zu starren.«
    »Die Aussicht hätte ich auf Google Earth auch haben können, nur ohne dreimal umsteigen zu müssen«, sagte missmutig Zach, der es vorgezogen hatte, allein zu sitzen.
    »Ich hatte mir Afrika immer trocken vorgestellt«, staunte Carol. »Aber diese Insel sieht ja richtig üppig aus!«
    Tatsächlich war Pemba dicht bewaldet und mit kleinen Hügeln überzogen, das dicke, breitblättrige Laub der Banyanbäume und Bananenpflanzen wechselte sich ab mit den sternförmigen Kronen der Palmen. Zwischen bescheidenen kleinen Äckern zogen sich rote Feldwege dahin, die ab sofort die West Side Highway ersetzen würden. Während sie über die Wellblechdächer hinwegflogen, blitzten sie silbern in der Sonne auf, als wollte die Bevölkerung Pembas im Morsealphabet einen Gruß an ihre neuesten Bewohner aussenden.
    Sie landeten auf einem Flughafen, den Glynis »bezaubernd« nannte. Mit seinem kleinen sechseckigen, in Fantaorange und Hellblau gestreiften Wachtturm wirkte er wie ein Spielzeug. Das Flughafengebäude selbst hatte die Größe einer Einklassenschule. Nach der bedrückenden Ernsthaftigkeit des vergangenen Jahres konnte Shep eine Geisteshaltung, die das Beiwerk der westlichen Zivilisation zu verspielten legosteinartigen Anordnungen zusammenschrumpfte, nur begrüßen.
    Während er seine Frau, seinen Vater und den leidenden siebzehnjährigen Schützling aus dem Flugzeug in die drei Rollstühle hob, die Fundu Lagoon umsichtigerweise bereitgestellt

Weitere Kostenlose Bücher