Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
hatte – sie waren alle so erschöpft, dass nicht mal Flicka Widerstand leistete –, plagte Shep die erste Spur von Enttäuschung. Als er die schwere, ansonsten duftgeschwängerte Luft schnupperte, die von der Rollbahn zurückstrahlte, konnte er eine vage blumige Süße ausmachen, vermischt mit den Flugzeugabgasen, aber – keine Nelken. Selbst dann, als ihre Gruppe von einem jovialen, muskulösen Fahrer in einen Minitransporter geladen wurde und der Wagen losfuhr, steckte Shep noch immer mit nicht zu unterdrückendem Trotz die Nase aus dem Fensterspalt. Es war nur ein Satz, den er im Internet gelesen hatte, aber aus irgendeinem Grund war es ihm furchtbar wichtig geworden, dass die ganze Insel Pemba nach Kürbistorte duften würde.
Die Fahrt war dennoch bezaubernd. Zwischen dem Flughafen Chake Chake und dem Hafen Mkoani fuhren sie auf einer der wenigen asphaltierten Straßen Pembas und kamen schnell voran, weshalb die Aussichten fast zu schnell vorüberzogen: mit Papayas schwer behangene Bäume, bei denen Shep mit Verdruss an die gealterten Hoden seines Vaters denken musste, unreife Mangos in Limabohnenform, Brotfruchtknollen, stachlig wie Seeminen. Es schien nicht viel Autoverkehr zu geben, denn als ihr Fahrzeug passierte, standen die örtlichen Frauen in ihren bunten kangas auf, um ihnen vom Schatten ihrer Veranda aus hinterherzustarren. Shep ließ seinen Blick über den Wohnbestand schweifen und überlegte, ob er Chez Knacker wie die neueren Häuser aus den weniger attraktiven Betonziegeln errichten oder es mit den Einheimischen halten und die traditionelle Bauweise mit auf Holzgittern getrockneten Lehmwänden und Strohdächern aus Kokosnusspalmen erlernen sollte. Letztere Häuser, so der Fahrer, hielten gut vierzig Jahre, und die Räume seien kühl.
Als sie sich jedoch dem Hafen näherten, wo das Schnellboot von Fundu auf sie wartete, säumten Strohmatten den Straßenrand, die mit dünnen grünlichen bis bräunlichen Krümeln übersät waren. Die Matten wurden immer mehr – in den Außenbezirken reihten sie sich dicht an dicht entlang der Straße bis hin auf den Asphalt –, und allmählich zog der Duft von Kürbistorte durch den Transporter. Es waren Nelken, die in der Sonne zum Trocknen auslagen. Shep inhalierte tief und setzte sich zufrieden zurück. Sie waren im Jenseits angekommen.
MIT 1250 DOLLAR pro Nacht war die »Superior Suite« von Fungu Lagoon – das allerhinterste und teuerste der Zelthäuser lag zehn Minuten zu Fuß vom Haupthaus entfernt und bot größtmögliche Privatsphäre – bestimmt nicht der Ort, an dem Shep Wurzeln zu schlagen gedachte. Bei diesen Kosten würde der Schadensersatz von Forge Craft kaum mehr als ein paar Jahre vorhalten. Und doch war der feudale Luxus genau das Richtige für diese Erholungspause: Das Essen wurde gebracht, die Handtücher waren groß wie Bettlaken und aus ägyptischer Baumwolle, und ihr Zelt an sich bot alles, was Shep vergessen haben könnte: Schlapphüte aus Stroh, Sandelholz-Shampoo, Bio-Hibiskus-Tee, Insektenspray, Moskitospiralen, Strohtaschen für die Strandwanderung sowie ein Buch namens Afrikanische Vogelkunde , und dann natürlich die geeiste Flasche Champagner und die gekühlten Gläser, mit denen man sie bei ihrer Ankunft empfing.
Ja, der Champagner war es, der ihn direkt zu einer Lösung in Bezug auf Flicka inspirierte, die in der Hitze unter extrem hohem Blutdruck litt. Da das kleine runde Tauchbecken auf der Terrasse im Prinzip nur ein besserer Champagnerkühler war, brauchte sich Flicka nur hineinzulegen und konnte den ganzen heißen Tag lang im kühlen Wasser vor sich hin dümpeln. Schnorchelausflüge zum Riff, Tauchunterricht und Schnellbootfahren im Morgengrauen durch sich tollende Delfinschulen würden Zach davon abhalten, sich zu beschweren, dass es nichts zu tun gebe; kaum hatte er seine Tasche in die Zeltanlage geworfen, steuerte der Junge schnurstracks auf den internetfähigen Computer im Entertainmentzelt zu; womöglich hatte er den Schweiß an seinem Haaransatz schon als erste Entzugserscheinung gedeutet. Auch Sheps Vater mochte unter Zeitungsentzug leiden, ging jedoch sofort dazu über, sich in Boxershorts auf einem Liegestuhl im Schatten eines großen Sonnenschirms einzurichten. Er schlürfte Champagner und blickte hinaus auf den menschenleeren Strand, wo die daos und mtumbwis träge über den Horizont glitten, und schien seine wundersame Rettung aus den leblosen vier Wänden der Morgentau-Residenz auch ohne die New York
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