Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
Zeitungspapier, das er zwischen seine karge Beute gestopft hatte, in den Samsonite-Koffer passen würde.
Sie nannten ihn immer noch den »Hochzeitsbrunnen«. Das Gerät aus Sterlingsilber hatte vor sechsundzwanzig Jahren bei der bescheidenen Versammlung von Freunden das mittlere Blumengesteck ersetzt und Arbeit, Begabung und, ja, Charakter von Braut und Bräutigam aufs Trefflichste verbunden. Bis heute stellte der Hochzeitsbrunnen das einzige Projekt dar, bei dem er und Glynis fifty-fifty zusammengearbeitet hatten. Shep hatte sich um die technischen Aspekte des Apparats gekümmert. Die Pumpe war gut versteckt hinter einem Bogen Hochglanzmetall, der sich um das Becken wand; da der Mechanismus dauerhaft in Betrieb war, hatte er ihn über die Jahre ein paarmal ersetzen müssen. Weil er sich mit Wasser auskannte, hatte er Glynis hinsichtlich Breite und Tiefe der Abflüsse und der Tropfenfallhöhe von Etage zu Etage fachkundig beraten. Glynis hatte die künstlerische Linie vorgegeben und in ihrem alten Studio in Brooklyn die Einzelteile geschmiedet und gelötet.
Für Sheps Geschmack war der Brunnen nüchtern; für Glynis’ Geschmack war er verschnörkelt; sogar stilistisch verkörperte die Konstruktion also ein Treffen der Denkweisen auf halbem Wege. Und der Brunnen war romantisch. Er war oben zusammengeschweißt, und zwei silberne Rinnen teilten sich und fügten sich wie Schwanenhälse erneut ineinander, der eine stützend, der andere sich öffnend, um sein Wasser in die wartende Schale des Gefährten zu ergießen. Ausgehend von einer schmalen Spitze, zogen sich die beiden Hauptlinien ihrer gemeinsamen Schöpfung schwungvoll in breiteren, immer verspielteren Variationen bis zum Becken hinunter. Dort bildeten beide Zuflüsse einen seichten überdachten See, der im buchstäblichen Sinne ein Sammelbecken darstellte. Handwerklich hatte Glynis auf höchstem Niveau gearbeitet. Egal, wie beschäftigt er gewesen war, Shep hatte ihrer Virtuosität die Ehre erwiesen und regelmäßig Wasser nachgefüllt und auch das Silber geputzt, damit der Gelbstich des Metalls nicht noch deutlicher wurde. Es war jedoch gut möglich, dass sie das Ding ausschalten und irgendwo in die Ecke stellen würde, sobald er weg wäre.
Als Allegorie vertraten die ein gemeinsames Becken füllenden Zuflüsse ein Ideal, an dem sie gescheitert waren. Nichtsdestotrotz nahm der Brunnen erfolgreich die Elemente ihrer jeweiligen Persönlichkeit auf. Glynis arbeitete nicht nur mit Metall (oder hatte es mal getan); sie selbst war aus Metall. Steif, unkooperativ und unflexibel. Hart, das Licht reflektierend und widerscheinend vor Trotz. Ihr Körper war lang, mager und eckig wie der Schmuck und das Besteck, das sie früher geschmiedet hatte – ihr Medium hatte sich Glynis auf der Kunstschule nicht zufällig ausgesucht. Sie identifizierte sich mit dem Material, das sich so erbittert gegen jede Handhabung wehrte, dessen Form gegen Veränderung resistent war und das lediglich auf starke Krafteinwirkung reagierte. Metall war aufmüpfig. Bei Misshandlung fing sich das Licht in den Dellen und Kratzern, als hegte es einen Groll.
Sheps Element, ob er wollte oder nicht, war das Wasser. Anpassungsfähig, leicht zu manipulieren und immer geneigt, den Weg des geringsten Widerstands zu nehmen. Shep schwamm mit dem Strom. Wasser war nachgiebig, fügsam und leicht einzufangen. Stolz war er auf diese Eigenschaften nicht; Biegsamkeit erschien ihm wenig männlich. Andererseits war die vermeintliche Passivität des Wassers ein Trugschluss. Wasser war findig. Wie jeder Hausbesitzer mit einem alternden Dach wusste, war Wasser auch heimtückisch; auf seine eigene Art konnte es sich seinen Weg durch alles hindurchbahnen. Wasser hatte eine ganz eigene, hinterlistige Sturheit, eine verstohlene, sickernde Beharrlichkeit, einen Instinkt dafür, die eine vergessene Naht oder offene Fuge aufzuspüren. Früher oder später findet Wasser immer einen Weg hinein oder – wichtiger noch, in Sheps Fall – hinaus.
Die ersten Zimmerspringbrunnen seiner Kindheit, zusammengeschustert aus ungeeigneten Materialien wie Holz, leckten aufs Schlimmste, und sein sparsamer Vater hatte ihn wegen seiner verschwenderischen »Blubbergeräte« getadelt. Doch Shep wurde erfinderischer und verbaute allerlei Fundstücke: angeschlagene Servierschüsseln, die Gliedmaßen der abgelegten Puppen seiner Schwester. Bis zum heutigen Tag hatte er sein Hobby gepflegt. Als Gegengewicht zur unerbittlichen Funktionalität seines
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