Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
zweitrangigen Galerien einzelne Halsketten aus, sodass sich ihre Silberschmiedearbeiten gerade eben gegenfinanzierten. Und dann legte sie noch lange und fieberhafte Arbeitsstunden ein, um ihre Telefonrechnung ausgleichen zu können. Gewiss hätte jeder Mann angenommen, dass es für einen Menschen mit so viel Eigenantrieb – diszipliniert, asketisch und feurig, wie Glynis war – Ehrensache sein würde, in einer Ehe ihr Scherflein beizutragen. (Wenn man’s bedachte, war das wahrscheinlich auch der Fall gewesen.) Insofern hatte er nie damit gerechnet, ganz allein für das Jenseits sparen zu müssen.
Weniger mitfühlende Männer hätten vielleicht das Gefühl gehabt, einem Etikettenschwindel erlegen zu sein. Die Schwangerschaft war ein einleuchtender Vorwand gewesen, das Schmiedewerkzeug zu vernachlässigen, aber innerhalb der letzten sechsundzwanzig Jahre waren das gerade mal achtzehn Monate gewesen. Mutterschaft war nicht das eigentliche Problem, wobei es lange dauerte, bis er dahinterkam, was das eigentliche Problem war. Sie brauchte Widerstand, genau jene Eigenschaft, die das Metall am nachweislichsten bot. Auf einmal hatte Glynis kein Hindernis mehr zu überwinden, kein schweres Kunsthandwerkerleben zu führen und sich mit Galerien herumzuschlagen, die die Hälfte eines ohnehin viel zu niedrigen Preises für eine Mokumebrosche kassierten, in der drei Wochen Arbeit steckten. Nein, ihr Mann verdiente gutes Geld, und auch wenn sie lange schlief und den Nachmittag mit der Lektüre diverser Kunstmagazine vertrödelte, würde die Telefonrechnung bezahlt werden. Was sie brauchte, war schlicht die Notwendigkeit zur Arbeit. Nur wenn sie keine Wahl hatte, konnte sie ihre Ängste überwinden und einen Gegenstand in Angriff nehmen, der bei der Fertigstellung vielleicht nicht ganz ihren hohen Erwartungen entsprechen würde. In dieser Hinsicht hatte ihr Sheps Hilfe eher geschadet als genützt. Indem er ihr ein finanzielles Polster bot, mit dem sie sich eigentlich hätte ganz ihrer Kunst widmen können, hatte er ihr das Leben ruiniert.
Es war ja nicht so, dass sie faul gewesen wäre. Da Glynis die Fiktion aufrechterhielt, beruflich als Kunstschmiedin zu arbeiten, galten alle anderen häuslichen Aktivitäten als Verzögerungstaktik und wurden daher energisch und eilig in Angriff genommen. Es war auch nicht so, dass sie gar nichts machte – das heißt, aus Metall. Nachdem sie Schmuck als nutzlosen Firlefanz abgetan hatte, verlegte sie sich ganz auf Besteck und schuf über die Jahre eine Handvoll bezaubernder Essgeräte; erinnerungswürdig waren der Fischheber mit einer Einlegearbeit aus Bakelit sowie ein Paar wunderbar ergonomischer silberner Essstäbchen, deren dickere Enden ein klein wenig, fast schmerzlich gekrümmt waren, als würden sie schmelzen. Allerdings entpuppte sich jedes beendete Projekt als so mühsam und zeitraubend, dass sie sich am Ende zum Verkauf der Gegenstände nicht durchringen konnte.
Geld hatte sie also keines verdient. Hätte er jemals laut ausgesprochen, dass Glynis nie auch nur zehn Cent mit zum Haushalt beitrug, selbst nachdem Zach und Amelia in die Schule gekommen waren, wäre sie in eiskalter Wut erstarrt (also hatte er’s gelassen). Ihr Einkommen von null Dollar war eine unveränderbare Tatsache. Dass sich Shep bei seiner Heirat nicht vorgestellt hatte, bis in alle Ewigkeit allein den gesamten Haushalt zu tragen, war zwar ebenfalls eine Tatsache. Aber er konnte den Haushalt tragen, und so trug er den Haushalt eben auch.
Außerdem konnte er sie ja verstehen. Oder er konnte verstehen, wie viel er nicht verstehen konnte, und das war ja auch schon mal was. Glynis hatte zwar den Motor, aber der Anlasser war defekt. Sie konnte beschließen, etwas zu tun, aber dann passierte nichts. Es war bei ihr etwas Inwendiges, ein Designfehler, und wahrscheinlich kein behebbarer.
Nachdem er jahrzehntelang den Mund gehalten hatte, hätte er (während einer besonders aufreibenden Woche bei Handy Randy) vor einigen Jahren nicht andeuten dürfen, wie sehr es doch zu bedauern sei, dass sie nicht die ganzen Jahre über den Rest zweier Gehälter auf die hohe Kante gelegt hatten, womit sie längst im Jenseits hätten sein können … noch bevor er den Satz beendet hatte, war sie wortlos vom Tisch aufgestanden und aus der Tür marschiert. Als er am selben Abend nach Hause kam, hatte sie einen Job. Offenbar hätte er ihr über die ganzen Jahre nur etwas Feuer unterm Hintern zu machen brauchen, anstatt sie mit
Weitere Kostenlose Bücher