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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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ist.«
    Ein unbeteiligter Beobachter wäre nie darauf gekommen, aber Carol war viel mehr Nihilistin als ihr Mann. Sie saß stundenlang dumpf vor dem Computer und machte Marketing für IBM, sie füllte den Luftbefeuchter in Flickas Zimmer, bevor sie eine neue Rolle Frischhaltefolie holte, um die Tochter ins Bett zu bringen, und sie war jahrelang um ein Uhr morgens aufgestanden, um die erste der beiden nächtlichen Dosen Compleat in Flickas Plastikbeutel zu füllen – und zwar ohne das geringste Sendungsbewusstsein. Sie machte einfach, was gemacht werden musste.
    WÄHREND ER WENDY in bar bezahlte, sagte sich Jackson, dass sich die Krankenschwester doch gelohnt hatte, denn wundersamerweise waren beide Mädchen schon im Bett. Als er und Carol sich bettfertig machten, wartete er, bis sie sich die Zähne geputzt hatte. Erst dann huschte er selbst ins Bad, wobei er ihre verwunderte Miene sah, als er ihr die Tür vor der Nase zuzog. »Es ist nur zu deinem Besten«, erklärte er ihr durch die Tür. »Muss ganz übel furzen.«
    Wie viele Male pro Tag würde er furzen müssen? Das Ganze erwies sich allmählich als unerwartet knifflig, und er fragte sich, ob er seine Strategie genügend durchdacht hatte. Er nutzte den privaten Moment, um einen Blick auf die Sache zu werfen, denn die Sache war inzwischen ein wenig schmerzhaft geworden. Anfangs war er erleichtert gewesen, dass sich die »leichten Beschwerden« in Grenzen hielten; vermutlich aber ließ erst jetzt die örtliche Betäubung nach.
    Als er wieder auftauchte, war Carol im Bett, ihre nackten Brüste lagen über der Bettdecke. Für ihre schlanke Figur waren sie ungewöhnlich üppig, es war die Art von Titten, die sich Frauen kaufen wollten, aber nicht kaufen konnten. Die Lektion daraus – man musste glücklich werden mit dem, was man hatte – war keine, die er für sich selbst hätte gelten lassen.
    »Was willst du denn mit den Boxershorts?«
    »Ach, ich wollt’s dir vorhin schon sagen.« Er hatte es den ganzen Tag geprobt. »Dieser Termin, den ich heute hatte. Ich hab mir anscheinend irgendeine Hautkrankheit geholt, wahrscheinlich im Fitnessstudio. Irgendwelche Mikroben, hat der Hautarzt gemeint.« Den Begriff hatte er am Vorabend in einem Fernsehwerbespot aufgeschnappt. »Ich kann dich anstecken, wenn ich nicht vorsichtig bin.«
    »Lass doch mal sehen!«
    »Auf keinen Fall! Es sieht ein bisschen eklig aus. Am Ende hast du dann keine Lust mehr.«
    Carol ließ sich in die Kissen gleiten. »Als wäre das schon mal vorgekommen.«
    Herrgott, was für eine Verschwendung: ihre Brustwarzen wie Kirschen auf zwei Kugeln Eis. Er liebte sie mit offenem Haar und hatte den ganzen Abend schon die Spangen herausziehen wollen. Obwohl ihn die meisten Kerle für einen Glückspilz hielten bei so einer Frau, war Jacksons Begehren immer mit einem nagenden, quälenden Gefühl verbunden. Er fühlte sich ihr nie ganz gewachsen. Selbst nach all den Ehejahren war er immer noch nicht sicher, was sie eigentlich an ihm fand.
    »Das ist die andere Sache«, sagte er. »Wir können nicht – für eine Weile. Es dauert relativ lange, bis das Problem wieder behoben ist, meinte der Arzt zumindest.«
    »Aber lass mich doch trotzdem mal einen Blick drauf werfen.«
    »Du hast doch schon den ganzen Tag Flicka versorgt«, sagte er und ließ sich neben sie ins Bett gleiten, nicht ohne einen diskreten Blick auf seinen Hosenschlitz zu werfen, der dank der Sicherheitsnadel tatsächlich noch geschlossen war. »Du musst jetzt nicht auch noch mich versorgen.«
    Die Lüge wegen der Boxershorts machte ihm nicht den geringsten Spaß, aber wahrscheinlich hätte sie kein Verständnis gehabt – wenn er ihr erklärt hätte, dass ein großes Geschenk zunächst verpackt werden musste. Vor allem ein so großes Geschenk.

Kapitel 7
Shepherd Armstrong Knacker
Merrill Lynch Konto-Nr. 934 – 23F917
01. 02. 2005 – 28. 02. 2005
Gesamtnettowert des Portfolios: $ 664 183,22
    AM SONNTAG VOR der Operation durfte Glynis keine feste Nahrung zu sich nehmen. Shep hatte aus Solidarität das Gefühl, ebenfalls nichts essen zu dürfen. Peinlicherweise bekam er aber Hunger. Der Kühlschrank war voll mit den Resten vom Abendessen mit Jackson und Carol. Zu fasten und deshalb so viel verkommen zu lassen schien ihm widersinnig. Also wartete er, bis Glynis auf der Toilette war, um dann heimlich den Zeigefinger in den Humus zu stecken.
    Zach kam von der Nacht mit seinem Mit- Hikikomori zurück, säbelte sich ein dickes Stück kalten

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