Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)
kaputt. Der Typ hängt an dem Automaten rum und lauert auf irgendeine arme Sau wie mich, die’s eilig hat und nicht darauf achtet, ob das Ding funktioniert. Häagen-Dasz ist teuer, aber 65 Dollar für einen halben Liter sind echt happig. Und wo ist jetzt die Logik?« Jackson warf Glynis einen Blick zu, um sicherzugehen, dass sie noch immer diese gelassene Miene hatte; sie schien nachgerade zu schnurren. »Ich zahle Steuern, damit diese Parkuhren instandgehalten werden, da von uns ja erwartet wird – und das ist die ultimative Würdelosigkeit –, dass wir das Werkzeug unserer Unterdrückung selbst finanzieren. Aber wenn sie den Arsch nicht hochkriegen, wenn sie das Geld, das ich einbüße, nicht verwenden, um die Parkuhren in Betrieb zu halten, dann ist das meine Schuld, und ich muss draufzahlen. Der Staat dreht alles zu seinem Nutzen, und glaub nur nicht, dass da Gerechtigkeit oder auch nur gesunder Menschenverstand mit im Spiel wäre.«
Er hatte die Sache ganz gut zusammengefasst, fand er, aber nach einem kurzen Moment zuckten Glynis’ Lider, und sie schlug die Augen auf und zog ein Gesicht. »Du Faulenzer. Das ist doch erst der Anfang. Los. Gib Gas. Gib alles.«
»Geht klar«, sagte Jackson mit verständnislosem Achselzucken, und er vermutete, dass es nicht an ihm war, einer Todkranken zu sagen, was sie hören wollte. »Du weißt, dass ich mit Shep immer dieses Spiel spiele – Shep, der große Aufrechte, der Wir-müssen-alle-unsere-Rolle-spielen-Typ, der Obermitmacher –, er versucht dann immer, genau zu benennen, was wir persönlich von unseren Steuergeldern haben. Dieses Pseudomodell Geld-gegen-Dienstleistungen ist wohl nur dazu da, dass die Steuern nicht wie reiner Diebstahl rüberkommen, nach dem Motto: ›Warum lecken sich Hunde die Eier? Weil sie’s können.‹ Ich bin der Überzeugung, sie knöpfen uns unser Geld ab, weil sie’s können. Sie ziehen uns jedes Jahr noch mehr aus der Tasche, weil sie’s können. Wenn man mal drüber nachdenkt, die absolute Macht des Staates ist haarsträubend. Mit der Enteignung können sie einem das Haus wegnehmen. Sie können jedes beliebige Gesetz verabschieden, nichts hält sie davon ab, den Steuersatz morgen auf 99,9 Prozent anzuheben. Ist dir eigentlich klar, dass das Finanzamt wie die Hand Gottes zugreifen und dir einfach dein Bankkonto leerfegen kann? Und zwar nicht nur, ohne dich zu fragen, sondern ohne dich zu informieren . Letztes Jahr ist ein Kollege von Allrounder an einen Geldautomaten gegangen, und auf dem Bildschirm stand ›Konto unzureichend gedeckt‹. Dann hat er den Kontostand abgerufen, und statt ein paar Tausendern stand da ’ne Null. Er konnte sich nicht mal mehr ein Bier kaufen. Erst nach Tagen ist er dahintergekommen, dass es das Finanzamt war. Wie sich herausstellte, hatte seine Exfrau Steuerschulden. Vor ’ner halben Ewigkeit hatten sie ein einziges Jahr lang eine gemeinsame Steuererklärung abgegeben, und obwohl die beiden seit Jahren geschieden waren, sind sie direkt zu ihm gegangen, als sie das Geld nicht auftreiben konnte. Und sie haben’s ihm weggenommen, einfach alles weggenommen. Ist das noch zu fassen? Wo er den Arschlöchern nicht mal zehn Cents schuldete! Ich sag dir, der einzige Grund, warum sie uns nicht auch noch den letzten Cent aus der Tasche ziehen, ist, dass diese Wichser davon abhängig sind, dass wir als Sklaven immer weiter und weiter produzieren. Jedenfalls hat Shep vor langer Zeit mal alle vermeintlichen Vorteile aufgezählt, und was ihm mit als Erstes einfiel, war die Polizei. Die beschützt uns vor allen Drecksäcken, die sorgt dafür, dass uns nichts passiert. Aber klar doch. Der Verkehrspolizist neulich hat mir aufgelauert, um auf seine Strafticketquote zu kommen. Und hat mein Strafzettel jetzt dafür gesorgt, dass irgendjemandem nichts passiert ?«
Jackson spähte hinüber zum Kopfkissen, und siehe da, sein Liedchen hatte sie sanft in den Schlaf gewiegt. Er zog ihr die Bettdecke bis unters Kinn. Die rote Fleecejacke stand ihr gut, aber er beneidete Carol nicht mehr um ihr Talent für Geschenke. Er wusste, was Glynis wollte und was er ihr bei vielen weiteren Besuchen würde schenken können: Wut .
Kapitel 9
NACH EINEM WEITEREN Besuch bei Glynis, die inzwischen nach Elmsford entlassen, aber immer noch bettlägerig war, betrat Jackson in Hochstimmung sein Haus. Manch einen mochte nichts so sehr gruseln wie die Begegnung mit einem schwer kranken Menschen, aber er für seinen Teil fand allmählich Spaß daran.
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