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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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irgendein Perverser gefallen würde. Ist aber nicht so. Alle finden es total erstaunlich, dass ich überhaupt einen vernünftigen Satz auf die Reihe kriege. Ich profitiere total von Stephen Hawking. Ich kann dir gar nicht sagen, Papa, wie oft ich schon gehört habe, dass ich mich genauso anhöre wie er. Als wäre das ein Kompliment! Der redet doch wie’n Vollpfosten.«
    »Es gibt Schlimmeres«, sagte Jackson, pustete auf seine Gabel und entschuldigte sich insgeheim, selbst schon diese Parallele gezogen zu haben.
    »Ich krieg bessere Noten, als ich’s verdiene. Meine Aufsätze sind zum Kotzen. Ich kann nicht tippen. Aber kein Lehrer traut sich, mich durchfallen zu lassen. Die haben alle Angst, dass sie verhaftet werden. Könnte ja nach Diskriminierung aussehen.«
    Da ihre Aufsätze dazu tendierten, den überschwänglichen Anarchismus ihres Vaters nachzuahmen, wenn auch in kryptischer und oft beunruhigend parodistischer Form, war Jackson gekränkt. »Deine Aufsätze sind vielleicht kurz, aber sie sind origineller als die meisten Aufsätze deiner Mitschüler, das kann ich dir garantieren.«
    »Schon möglich«, gab sie zu. »Nicht dass diese Grenzdebilen den Unterschied merken würden. Ich könnte den Text von ’ner Cornflakesschachtel abschreiben, und sie würden immer noch Oh und Ah rufen. Der ganze Lehrkörper an der Henry Howe hat Angst vor mir. Sie sind alle gewarnt worden, dass ich mich bloß nicht ›zu sehr aufregen‹ darf. Genau wie Mama, verstehst du. So seelenruhig und entspannt zu tun, wenn sie mir am liebsten eine runterhauen würde. Wer mich jemals bei ’nem Anfall erlebt hat, hat richtig Schiss. Wie in dieser Episode von Twilight Zone , wo der gruselige kleine Junge jeden, der ihm dumm kommt, in einen Kastenteufel verwandelt oder ins Maisfeld schickt. Niemand macht mich fertig, weil ich irgendwas nicht gelesen habe. Wenn ich die Hausaufgaben nicht mache, sagt kein Schwein was.« Flicka knüllte ihr Arbeitspapier zu einer losen Kugel zusammen und warf ihn in Richtung Mülleimer.
    Sie traf daneben.
    »So viel zu deiner Basketballkarriere«, sagte Jackson und hob das zerknüllte Papier vom Boden auf. Er spielte mit dem Gedanken, es auseinanderzufalten und zurück auf den Tisch zu legen, aber was würde das bringen? Er warf es in den Müll. Weil sie nun mal in allem recht hatte; sie war jetzt schon genial im Ausrechnen der Variablen, die für ihr Leben eine Rolle spielten. Andererseits, wenn er sie ohne ihre Mathehausaufgaben davonkommen und ihrem eigenen Vater ins Gesicht fluchen ließ, hieße das, dass sie so ziemlich mit allem anderen durchkäme. Er liebte sie, aber sie war einfach unausstehlich. Er liebte sie genau aus dem Grund, weil sie unausstehlich war, und das spornte sie dazu an, nur noch unausstehlicher zu sein.
    Nichtsdestotrotz glaubte Jackson an Bildung, eben weil er während seiner eigenen Schulzeit nicht daran geglaubt hatte. Auf der Highschool hatte er seine Lehrer verachtet und war der Überzeugung gewesen, mehr zu wissen als sie, und erst Jahre später ging ihm auf, dass sie vielleicht doch in der Lage gewesen wären, ihm das eine oder andere beizubringen, als er noch jung und lernfähig war. Als Erwachsener hatte er versucht, sein irriges Gefühl der Überlegenheit wettzumachen, indem er sich jede Information einverleibte, die er zwischen die Finger bekam, doch es quälte ihn, dass er keinerlei Gerüst hatte; er war nicht in der Lage, diese Wundertüte in ordentliche kleine Fächer zu unterteilen, er konnte die vereinzelten Fakten nur planlos in einen mentalen Pappkarton werfen. Manches von dem, was er aus dem Internet gezogen hatte, war dubios, denn das Netz war wie die Bibel; wer lange genug darin herumwühlte, konnte zu jeder Meinung eine eiserne Gesinnungsgemeinschaft finden. Aufs College zu verzichten schien ausgebufft, damals, als Allrounder mit Aufträgen überschüttet wurde; Shep hatte ja schließlich auch keinen Abschluss gebraucht. Was man auf dem College lernte, war wahrscheinlich sowieso hauptsächlich Mist. Doch das war nur eine Ahnung, und wenn er tatsächlich studiert hätte, wüsste er, dass es hauptsächlich Mist war.
    »Papa, heute in Chemie hatte ich einen Schwächeanfall, und ich durfte früher nach Hause!« Heather war in die Küche gestapft und steuerte direkt auf den Gefrierschrank zu, um sich ein Eis am Stiel zu holen. In den letzten paar Wochen hatte sie noch mal gut fünf Pfund zugelegt. Wie man’s machte, war es verkehrt. Durften sie alles, wurden sie

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