DIESES MAL IST ALLES ANDERS
»Inflationssteuern«
Ein anderer Bereich der Literatur, der das Thema Inlandsstaatsschulden bisher weitgehend ignoriert hat, ist die empirische Arbeit über Hoch- und Hyperinflation. Seit Cagan haben sich Forscher auf die Anreize für Regierungen konzentriert, Geldschöpfungsgewinne aus der Erhöhung der monetären Basis zu generieren. 7 Tatsächlich hat ein wiederkehrendes Paradox in dieser Literatur mit der Frage zu tun, warum Regierungen die Inflation gelegentlich weit über die Rate der maximalen Seignioragevorteile ansteigen zu lassen scheinen. Auf diese Frage wurden zahlreiche clevere und plausible Antworten angeboten, in denen allerdings die Fragen der Zeitkonsistenz und Glaubwürdigkeit deutlich hervorstachen. Wir wagen die Vermutung, dass das Vorhandensein erheblicher Inlandsschulden möglicherweise ein wichtiger Faktor ist, der übersehen wurde, vor allem wenn man – wie wir bereits besprochen haben – bedenkt, dass ein großer Teil der Schulden oft langfristig und nicht indexiert war. Wir beziehen uns dabei nicht nur auf die Untersuchung seltener Hyperinflationsphasen, sondern gleichermaßen auf das wesentlich häufigere Phänomen der Hochinflation sowie der moderaten Hochinflation, das seitdem zum Beispiel von Dornbusch und Fischer und vielen anderen untersucht wurde. 8 Obwohl es buchstäblich Hunderte von empirischen Aufsätzen über die inflationären Finanzen in Entwicklungs- und Post-Konflikt-Ländern gibt, werden die Inlandsstaatsschulden selten erwähnt und noch seltener bei der Analyse von Zeitreihen verwendet.
Die Definition der Steuerbasis: Inlandsschulden oder monetäre Basis?
Wie in der Literatur über Auslandsschulden lautet die implizite Annahme, dass Inlandsschulden relativ bedeutungslos sind. Trifft diese Annahme wirklich zu? Tabelle 8.2 weist darauf hin, dass die Inlandsschulden bei zahlreichen großen Episoden ein wichtiger – wenn nicht sogar entscheidender – Faktor für den Anreiz einer Regierung gewesen sind, die Inflation ansteigen zu lassen. 9 Ein Vergleich der tatsächlichen Inflationsraten mit irgendeiner hypothetischen »Rate der maximalen Seignioragevorteile«, die nur ausgehend von der monetären Basis berechnet wurde, ist daher möglicherweise der falsche Ansatz.
Zum Beispiel sehen wir anhand von Tabelle 8.2, dass Deutschlands Inlandsschulden die monetäre Basis um das Dreifache überstieg, als die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1920 erstmalig auf 66 Prozent kletterte. Im Fall Brasilien überstiegen die Inlandsschulden die monetäre Basis um fast das 20-Fache. 10
Die Bedeutung der Inlandsschulden ist nicht nur auf Episoden der Hyperinflation beschränkt. In Tabelle 8.2 sind auch eine Reihe von Hochinflationsphasen aufgeführt. Im Jahr 1945, als die Inflation auf über 500 Prozent kletterte, betrugen Japans Inlandsstaatsschulden fast 80 Prozent der gesamten Inlandsverbindlichkeiten (einschließlich Währungsverbindlichkeiten). In allen in Tabelle 8.2 genannten Fällen erreichten die Inlandsstaatsschulden mindestens dieselbe Höhe wie die monetäre Basis des Landes (mit Ausnahme von Norwegen, dessen Inlandsschulden leicht unter dem Niveau von 1918 lagen).
TABELLE 8.2
Inflation und Inlandsstaatsschulden: ausgewählte Episoden, 1917–1994
Land
Jahr
Inflationsrate
Inlandsschuldenquote im Verhältnis zum BIP
Verhältnis der monetären Basis zum BIP
Verhältnis der Inlandsschulden zu den gesamten Inlandsverbindlichkeiten
Einige Episoden der Hyperinflation
Argentinien
1989
3.079,5
25,6
16,4
61,2
Brasilien
1987
1990
22,8
2.947,7
164,9
155,1
9,8
7,1
94,4
95,6
Deutschland
1920
1923
66,5
22.220.194.522,37
52,6
0,0
19,4
0,0
73,0
1,0
Episoden der Hochinflation
Griechenland
1922
1923
54,2
72,6
53,0
41,3
34,3
32,7
60,7
55,9
Italien
1917
1920
43,8
56,2
79,1
78,6
24,1
23,5
76,6
77,1
Japan
1944
1945
26,6
568,1 a
236,7
266,5
27,8
74,4
89,5
78,2
Norwegen
1918
1920
32,5
18,1
79,3
106,9
86,4
65,6
47,9
62,3
Philippinen
1981
1984
13,1
46,2
10,4
11,0
6,6
13,9
61,1
44,2
Türkei
1990
1994
60,3
106,3
14,7
20,2
7,47,1
66,6
73,9
Quellen: Siehe Anhänge A.1 und A.2
Anmerkungen: »Monetär« und »Schulden« beziehen sich auf das jeweilige Niveau zu Beginn jeder Episode. Die Hyperinflationsepisoden entsprechen der klassischen Definition von Cagan.
a Diese Episode entspricht nicht der klassischen Definition von Cagan.
Weitere Überlegungen zum Inflationsanreiz
Eine präzise Berechnung des Gewinns, den Regierungen daraus ziehen, wenn sie den
Weitere Kostenlose Bücher