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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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rückte, wurde mit der abfälligen Bemerkung »Der produziert sich« gebrandmarkt. Das Kino florierte durch bissige Zwischenrufe, doch wer sie machte, produzierte sich unweigerlich; über Clubs zu sprechen hieß, sich zu produzieren; sich für etwas heftig einzusetzen, ob für feuchtfröhliche Partys oder völlige Abstinenz, hieß, sich zu produzieren; kurzum, als Person aufzufallen wurde nicht toleriert, und nur wer sich bedeckt hielt, war wirklich einflussreich, bis bei den Clubwahlen im Sophomore-Jahr jeder seinen Platz in einer Schublade bekam, den er bis zum Ende seiner College-Karriere behielt.
    Amory erkannte, dass es ihm nichts einbrachte, für das Nassau Literary Magazine zu schreiben, dass es jedoch eine Menge einbrachte, zum Vorstand des Daily Princetonian zu gehören. Sein verschwommener Wunsch, als Schauspieler bei der English Dramatic Association unsterblichen Ruhm zu erlangen, schwand dahin, als er herausfand, dass die geistreichsten Köpfe und Talente sich um den Triangel-Club scharten, eine Musical-Gruppe, die jedes Jahr zu Weihnachten auf Tournee ging. Ansonsten fühlte er sich in der Mensa merkwürdig verlassen und unruhig angesichts neuer Sehnsüchte und Ambitionen, die seine Seele aufrüttelten, und so verstrich sein erstes Semester, hin- und hergerissen zwischen [72] Neid auf die keimenden Erfolge und ärgerlichem Staunen darüber, dass er und Kerry nicht sofort zur Klassenelite gehörten.
    Viele Nachmittage lungerten sie vor den Fenstern von Univee 12 herum und beobachteten die Klasse auf dem Weg zur oder von der Mensa, sahen zu, wie Einzelne sich bereits an Prominentere anschlossen, beobachteten den einsamen Streber mit seinem eiligen Schritt und gesenktem Blick und beneideten die sorglose Sicherheit der großen Schulgruppen.
    »Wir sind die verdammte Mittelklasse, das ist es!«, beklagte er sich eines Tages bei Kerry, während er ausgestreckt auf dem Sofa lag und mit genüsslicher Hingabe eine Packung Fatimas rauchte.
    »Warum auch nicht? Wir sind doch nach Princeton gegangen, damit wir auf die kleinen Colleges runtersehen und uns was drauf einbilden können, uns besser anziehen, was darstellen…«
    »Ich hab gar nichts gegen dieses schillernde Kastensystem«, gestand Amory. »Von mir aus können ein paar tolle Hechte ganz oben sein, aber nur, wenn ich auch einer bin, Kerry, verdammt noch mal.«
    »Aber bis jetzt bist du eben bloß ein netter kleiner Bourgeois.«
    Amory lag einen Moment still da und sagte kein Wort.
    »Nicht mehr – lange«, sagte er schließlich. »Aber ich kann’s nicht leiden, wenn ich arbeiten muss, um irgendwas zu erreichen. Das hinterlässt Spuren bei mir, verstehst du.«
    »Höchst ehrenhafte Narben.« Plötzlich verrenkte Kerry den Hals nach der Straße. »Da geht Langueduc, falls du wissen willst, wie er aussieht – und Humbird gleich hinter ihm.«
    [73] Amory stand schwungvoll auf und schaute suchend durch die Fenster.
    »Hm«, sagte er mit prüfendem Blick auf diese Berühmtheiten, »Humbird sieht wirklich phänomenal aus, aber dieser Langueduc – das ist ein ziemlich grober Klotz, was? Der Sorte misstraue ich. Ungeschliffene Diamanten sehen immer riesig aus.«
    »Jedenfalls«, sagte Kerry, als die Aufregung sich gelegt hatte, »bist du ein literarisches Genie. Es liegt ganz bei dir.«
    »Ich frage mich« – Amory zögerte –, »ob ich’s sein könnte. Manchmal glaube ich es wirklich. Aber das klingt höllisch eingebildet, und ich würd’s auch niemandem sagen außer dir.«
    »Na, dann los. Lass deine Haare wachsen, und schreib Gedichte wie dieser D’Invilliers in der Lit. «
    Amory griff lässig nach einem Stapel Zeitschriften auf dem Tisch.
    »Sein letztes gelesen?«
    »Hab noch keins verpasst. Sie sind wirklich einmalig.«
    Amory schaute das Heft flüchtig durch.
    »Hey!«, sagte er überrascht. »Er ist ein Freshman, oder?«
    »Na klar.«
    »Hör dir das an! Meine Güte!«
    Ein Serviermädchen spricht:
    Schwarzer Samt breitet seine Falten über den Tag,
    Weiße Kerzen, in silbernen Haltern gefangen,
    Flackern mit dünner Flamme wie Schatten im Wind,
    Pia, Pompia, komm – komm fort von hier –
    [74] »Was zum Teufel soll das bedeuten?«
    »Es spielt in der Küche.«
    Ihre Zehen sind steif wie die des Storchs im Flug;
    Sie liegt auf dem Bett, auf den weißen Laken,
    Die Hände auf ihren lieblichen Busen gepresst, einer Heiligen gleich,
    Bella Cunizza, komm ins Licht!
    »Guter Gott, Kerry, um was in aller Welt geht’s denn da? Ich schwör dir, ich

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