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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Brief geschrieben. An einer Stelle ging’s mit mir durch, und ich schrieb: ›Mein Gott, wie ich dich liebe!‹ Sie hat eine Nagelschere genommen, das ›Mein Gott‹ weggeschnitten und den restlichen Brief in der ganzen Schule rumgezeigt. Es klappt einfach nicht. Ich bin eben der ›gute alte Kerry‹ und dieser ganze Quatsch.«
    Amory lächelte und versuchte sich vorzustellen, er sei der »gute alte Amory«. Es war völlig unmöglich.
    Der Februar triefte von Regen und Schnee, der Orkan der Zwischenprüfungen für die Freshmen zog vorbei, und das Leben in Univee 12 ging weiter seinen abwechslungsreichen, wenn auch ziellosen Gang. Einmal pro Tag tat sich Amory bei Joe’s an einem Clubsandwich, Cornflakes und Pommes frites gütlich, meist in Gesellschaft von Kerry oder Alec Connage, der nebenan wohnte. Dieser war ein ruhiger, ziemlich zurückhaltender Slicker aus Hotchkiss und wie Amory ein unfreiwilliger Einzelgänger, da seine gesamte Klasse nach Yale gegangen war. Joe’s war unappetitlich und hygienisch nicht ganz einwandfrei, doch man bekam unbegrenzten Kredit eingeräumt, eine Annehmlichkeit, die Amory zu schätzen wusste. Sein Vater hatte mit Bergwerksaktien spekuliert, und darum entsprach sein monatlicher Wechsel, so großzügig er auch war, nicht im mindesten seinen Erwartungen.
    Joe’s hatte außerdem den Vorteil, dass man dort vor den [78] prüfenden Blicken der höheren Semester sicher war, und so ging Amory, begleitet von Freund oder Buch, jeden Nachmittag um vier dorthin, um seine Verdauung neuen Experimenten auszusetzen. Eines Tages im März fand er alle Tische bereits besetzt und ließ sich auf einem Stuhl einem Freshman gegenüber nieder, der eifrig über sein Buch gebeugt am hintersten Tisch saß. Sie nickten sich kurz zu. Zwanzig Minuten saß Amory da, vertilgte Speckbrötchen und las Mrs. Warrens Gewerbe (Shaw hatte er mehr durch Zufall entdeckt, als er während der Zwischenprüfungen in der Bücherei herumstöberte); der andere Freshman, der ebenso intensiv mit seinem Band beschäftigt war, verputzte in der Zeit drei Glas Malzschokolade.
    Immer wieder wanderten Amorys Augen neugierig zu dem Buch seines Tischgenossen. Er entzifferte von hinten Titel und Verfassernamen – Marpessa von Stephen Phillips. Das sagte ihm nichts, denn seine Kenntnis von Gedichten beschränkte sich auf solche Sonntagsklassiker wie Come into the Garden, Maude und die paar Brocken Shakespeare und Milton, die ihm aufgezwungen worden waren.
    Da er Lust hatte, sein Gegenüber anzusprechen, spiegelte er eine Weile Interesse für sein Buch vor und rief dann laut, als sei es unbeabsichtigt: »Ha! Phantastisch!«
    Der andere Freshman sah auf, und Amory heuchelte Verlegenheit.
    »Sprichst du von deinen Speckbrötchen?« Seine rauhe, freundliche Stimme passte gut zu der großen Brille und dem Eindruck immenser Klugheit, den er erweckte.
    »Nein«, erwiderte Amory, »ich meinte Bernard Shaw.« Zur Erläuterung hielt er ihm sein Buch hin.
    [79] »Ich habe noch nie etwas von Shaw gelesen, obwohl ich es immer schon wollte.« Der Junge schwieg und fuhr dann fort: »Hast du je etwas von Stephen Phillips gelesen, oder magst du überhaupt Gedichte?«
    »Ja, sehr«, bestätigte Amory eifrig. »Von Phillips habe ich allerdings nicht viel gelesen.« (Er hatte noch nie von einem Phillips gehört, außer von dem seligen David Graham.)
    »Er ist ganz gut, finde ich. Natürlich sehr viktorianisch.« Sie gerieten in eine Diskussion über Dichtung, in deren Verlauf sie einander vorstellten und Amorys Gefährte sich als niemand anders herausstellte als »diese grässliche Intelligenzbestie Thomas Parke D’Invilliers«, dessen Name unter den leidenschaftlichen Liebesgedichten in der Lit stand. Er war höchstens neunzehn, hatte hängende Schultern, blasse blaue Augen und – das schloss Amory aus seiner ganzen Erscheinung – wenig Ahnung vom Kampf um gesellschaftlichen Erfolg und dergleichen fesselnde Phänomene. Immerhin mochte er Bücher, und es schien ewig herzusein, dass Amory so jemanden kennengelernt hatte; wenn nur die Gruppe aus St. Paul am Nachbartisch ihn nicht auch für so einen Sonderling hielt – ansonsten freute er sich enorm über diese neue Bekanntschaft. Doch schienen die andern sie nicht zu beachten, und so ließ er sich gehen, sprach über Dutzende von Büchern, über Bücher, die er gelesen oder über die er gelesen hatte, Bücher, von denen er nie gehört hatte, rasselte die Titel nur so herunter, als sei er ein versierter

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