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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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versteh kein Wort, und dabei bin ich doch literarisch ausgefuchst.«
    »Es ist ziemlich verzwickt«, sagte Kerry, »du musst nur an Totenbahren und saure Milch denken, wenn du’s liest. Das ist nicht so ein Gesäusel wie das meiste andere.«
    Amory warf das Heft auf den Tisch.
    »Na, jedenfalls hänge ich ganz schön in der Luft«, seufzte er. »Ich weiß, dass ich was Besonderes bin, aber ich finde jeden anderen, der was Besonderes ist, zum Kotzen. Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich mich aufs Geistige werfen und ein großer Dramatiker werden soll oder dem Goldenen Schatz eine lange Nase machen und ein Princeton-Slicker werden.«
    »Warum entscheiden?«, meinte Kerry. »Lass dich lieber treiben wie ich. Ich häng mich an Burnes Rockschöße und lass mich ziehen, bis ich einer der Führenden bin.«
    »Ich kann mich nicht treiben lassen – ich will beteiligt sein. Ich will die Fäden ziehen, auch für jemand anderen, oder Vorsitzender vom Princetonian werden oder Präsident vom Triangle-Club. Ich will bewundert werden, Kerry.«
    [75] »Du denkst zu viel an dich.«
    Das ließ Amory hochfahren.
    »Nein. Ich denke auch an dich. Wir müssen einfach loslegen und in der Klasse mitmischen, und zwar jetzt, wo’s noch Spaß macht, den Snob zu spielen. Ich würd zum Beispiel gern ’ne Mieze zum Studentenball im Juni mitbringen, aber bis dahin muss ich so weit sein, dass ich sie allen ganz lässig vorstellen kann – dem Footballkapitän und den Salonlöwen und dem ganzen Fußvolk.«
    »Amory«, sagte Kerry ungeduldig, »du drehst dich im Kreis. Wenn du berühmt werden willst, dann fang an und tu irgendwas; wenn nicht, dann nimm’s nicht so ernst.« Er gähnte. »Komm, lassen wir mal den Rauch abziehen. Gehen wir runter und schauen beim Footballtraining zu.«
    Nach und nach machte sich Amory diesen Standpunkt zu eigen, beschloss, seine Karriere im nächsten Herbst zu starten, und begnügte sich vorerst damit zu beobachten, wie Kerry für sich aus Univee 12 Spaß herausholte.
    Sie füllten das Bett des jungen Juden mit Zitronencremetorte; durch das Rohr in Amorys Zimmer bliesen sie jede Nacht das Gas im ganzen Haus aus, sehr zur Bestürzung von Mrs. Twelve und dem örtlichen Klempner; sie bauten die gesamte Habe der plebejischen Saufbolde – Bilder, Bücher und Möbel – im Waschraum auf, was die beiden in tiefe Verwirrung stürzte, als sie bei ihrer Rückkehr von einer Sause in Trenton einigermaßen benebelt die Umräumung bemerkten; sie waren maßlos enttäuscht, als die plebejischen Saufbolde beschlossen, das Ganze als Scherz aufzufassen; vom Abendessen bis zur Morgendämmerung [76] spielten sie Red Dog, Siebzehnundvier und Jackpot-Poker und überredeten einen Mitschüler, zu seiner Geburtstagsfeier den Champagner in Strömen fließen zu lassen. Den großzügigen Spender, der selbst nüchtern geblieben war, warfen Kerry und Amory aus Versehen zwei Treppen hinunter und besuchten ihn, reumütig und mit beschämten Mienen, die ganze folgende Woche in der Krankenstation.
    »Sag mal, wer sind all diese Frauen?«, fragte Kerry eines Tages, als wollte er gegen Amorys Briefmengen protestieren. »Ich hab mir neulich die Poststempel angeschaut – Farmington und Dobbs und Westover und Dana Hall – was steckt dahinter?«
    Amory grinste.
    »Alle aus St. Paul und Minneapolis.« Er zählte sie auf. »Marylyn De Witt – sie ist hübsch und hat einen eigenen Wagen, das ist verdammt angenehm; dann Sally Weatherby– die wird allmählich zu dick; und dann Myra St. Claire, eine alte Flamme, lässt sich gerne küssen, wenn man will…«
    »Was hast du denn für eine Masche bei denen?«, fragte Kerry. »Ich hab schon alles Mögliche versucht, aber diese blöden Hühner haben nicht mal Angst vor mir.«
    »Du bist eben der Typ ›netter Junge‹«, meinte Amory.
    »Genau. Die Mütter denken immer, mit mir kann dem Mädchen nichts passieren. Ehrlich, es ist zum Kotzen. Wenn ich mal einer die Hand halten will, fängt sie an zu lachen und lässt mich machen, als gehörte sie gar nicht zu ihr. Sobald ich ihre Hand halte, koppelt sie sie irgendwie von sich ab.«
    »Dann sei doch eingeschnappt«, riet Amory. »Oder erzähl ihnen, du wärst ein gefährlicher Wilder, bring sie dazu, [77] dass sie dich bessern wollen – geh wütend weg – komm nach ’ner halben Stunde wieder – bring sie durcheinander.«
    Kerry schüttelte den Kopf.
    »Keine Chance. Letztes Jahr hab ich einem Mädchen von St. Timothy wirklich einen sehr verliebten

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