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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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zum Ende des Sophomore-Jahres hörte es nicht mehr auf: das gesellschaftliche Wertesystem, das sie in Atem hielt, das selten beim Namen genannt und nie offen eingestanden wurde, das Schreckgespenst des Big Man.
    Zuerst wurde nach Schulen eingeteilt, und Amory, der Einzige aus St. Regis, beobachtete, wie sich Gruppen bildeten und erweiterten und erneut bildeten; die Schüler aus St. Paul, Hill und Pomfret aßen an bestimmten Tischen, die in stiller Übereinkunft in der Mensa für sie reserviert waren, hatten ihre eigenen Ecken zum Umkleiden in der Turnhalle und errichteten unwillkürlich um sich eine Barriere aus nicht ganz so bedeutenden, aber gesellschaftlich ehrgeizigen Typen, die ihnen die freundlichen, recht unbedarften [69] Highschool-Abgänger vom Leib hielten. Von dem Moment an, da Amory das erfasst hatte, empörte er sich gegen gesellschaftliche Schranken als künstliche Abgrenzungen der Starken, mit denen sie ihre schwachen Gefolgsmänner stützten und die noch nicht so Starken ausschlossen.
    Da er beschlossen hatte, zu den Göttern seiner Klasse zu gehören, begann er, in der Footballmannschaft der Freshmen zu trainieren, doch in der zweiten Woche als Quarterback, die ihm bereits eine flüchtige Erwähnung im Princetonian eingebracht hatte, verstauchte er sich das Knie so sehr, dass er den Rest der Saison aussetzen musste. Das zwang ihn, sich zurückzuziehen und die Situation neu zu überdenken.
    »Univee 12« beherbergte ein Dutzend buntgemischter Fragezeichen. Es gab dort drei oder vier unauffällige und ziemlich verschreckt wirkende Jungen aus Lawrenceville, zwei Möchtegernwilde aus einer New Yorker Privatschule (die Kerry Holiday die »plebejischen Saufbolde« getauft hatte), einen jungen Juden, ebenfalls aus New York, und, als Entschädigung für Amory, die beiden Holidays, denen sofort seine Zuneigung gehörte.
    Die Holidays galten als Zwillinge, doch tatsächlich war Kerry, der dunkelhaarige, ein Jahr älter als sein blonder Bruder Burne. Kerry war groß, mit lustigen grauen Augen und einem überraschenden und sehr anziehenden Lächeln; er wurde sofort der Vertrauensmann des Hauses, stutzte allzu Vorwitzige zurecht, tadelte dünkelhaftes Benehmen und erfreute alle mit seinem ausgefallenen, spöttischen Humor. Amory überschüttete ihre wachsende Freundschaft mit seinen Vorstellungen davon, was ein College bedeutete und bedeuten sollte. Kerry, der keineswegs geneigt war, jetzt [70] schon irgendetwas ernst zu nehmen, tadelte ihn milde, dass er sich zu einem so unpassenden Zeitpunkt bereits Gedanken über die Kompliziertheiten des gesellschaftlichen Systems machte; doch mochte er ihn, nahm Anteil und amüsierte sich zugleich.
    Burne, hellhaarig, schweigend und ernst, tauchte im Haus nur als geschäftiger Geist auf – schlüpfte bei Nacht still herein und bei Tagesanbruch wieder hinaus, um seine Arbeit in der Bibliothek aufzunehmen –, er war auf den heißbegehrten ersten Platz beim Princetonian aus und lag in heftigem Wettbewerb mit vierzig anderen. Im Dezember warf ihn die Diphtherie nieder, und ein anderer gewann den Wettbewerb, doch als er im Februar ins College zurückkehrte, machte er sich wieder unverdrossen ans Werk, den Preis doch zu gewinnen. Amorys Bekanntschaft mit ihm beschränkte sich notwendigerweise auf Dreiminutengespräche vor oder nach den Vorlesungen, und so gelang es ihm nicht, Burnes einziges, ihn völlig beanspruchendes Interesse zu durchdringen und herauszufinden, was sich dahinter verbarg.
    Amory war bei weitem nicht zufrieden. Er vermisste die Stellung, die er in St. Regis errungen hatte, wo er bekannt und bewundert gewesen war; dennoch regte ihn Princeton ungemein an, und auf lange Sicht war vieles dazu bestimmt, den Machiavelli in ihm zum Leben zu erwecken, wenn er nur einen Anfang finden könnte. Die Clubs der höheren Semester, über die er im letzten Sommer einen nicht sehr auskunftswilligen Absolventen ausgequetscht hatte, erregten seine Neugier: Ivy, exklusiv und atemberaubend vornehm; Cottage, eine beeindruckende Mischung aus schillernden Abenteurern und blendend gekleideten Schürzenjägern; [71] Tiger Inn, breitschultrig und athletisch, belebt durch das ernsthafte Bestreben, die prep-school -Normen zu verfeinern; Cap and Gown, antialkoholisch, religiös angehaucht und politisch einflussreich; der spektakuläre Colonial, der literarische Quadrangle und ein Dutzend andere, je nach Alter und Stellung.
    Alles, was ein jüngeres Semester in ein zu günstiges Licht

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