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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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gelassener Amüsiertheit war.
    »Wie wär’s mit einem Sundae – einem Jigger, wollte ich sagen?«, fragte Kerry.
    »Klar.«
    Sie schlemmten genüsslich und schlenderten dann gemütlich zurück zum Haus Nr. 12.
    »Herrlicher Abend.«
    »Fabelhaft.«
    »Geht ihr Koffer auspacken?«
    »Glaub schon. Komm, Burne.«
    Amory beschloss, noch eine Weile auf der Eingangstreppe sitzen zu bleiben, und sagte den beiden gute Nacht.
    Die Bäume waren zu einem geisterhaft dunklen Wandvorhang vor dem letzten Streifen Zwielicht geworden. Der frühe Mond hatte die Bogengänge in blasses Blau getaucht, und mit tausend Zauberfäden, die sich vom Mond [66] herabspannen, durchwebte ein Lied die Nacht – ein Lied von allertiefster Traurigkeit, unendlich vergänglich, unendlich kummervoll.
    Ihm fiel ein, dass ein Ehemaliger aus den neunziger Jahren ihm erzählt hatte, eine von Booth Tarkingtons Vergnügungen habe darin bestanden, in den frühen Morgenstunden mitten auf dem Campus zu stehen und Tenorgesänge zu den Sternen zu schicken, was in den jüngeren Semestern, die ihm in ihren Betten lauschten, gemischte Gefühle weckte, je nach ihrer seelischen Verfassung.
    In diesem Augenblick durchbrach weit unterhalb des im Dunkeln liegenden University Place eine weißgekleidete Phalanx die melancholische Stimmung, und Gestalten in weißen Hemden und weißen Hosen marschierten in schwungvollem Rhythmus die Straße hinauf, mit untergehakten Armen und zurückgeworfenen Köpfen:
    Going back – going back,
    Going – back – to – Nas-sau – Hall,
    Going back – going back –
    To the – Best – Old – Place – of – All.
    Going back – going back,
    From all – this – earthly – ball,
    We’ll – clear – the – track – as – we – go – back
    Going – back – to – Nas-sau – Hall!
    Amory schloss die Augen, als die gespenstische Prozession näher kam. Bei den höchsten Tönen des Liedes setzten alle aus bis auf die Tenöre, die die Melodie bravourös über die riskante Stelle hinwegretteten, bis der eigenwillige Chor [67] wieder einsetzte. Erst jetzt öffnete Amory die Augen; er befürchtete, der Anblick könnte die wundervolle Illusion von Harmonie zerstören.
    Er seufzte tief. An der Spitze des weißen Zuges marschierte tatsächlich Allenby, der Footballkapitän, schlank und herausfordernd, als wüsste er, dass alle Hoffnungen des College in diesem Jahr auf ihm ruhten und dass von seinen hundertfünfundvierzig Pfund erwartet wurde, dass er sie durch die roten und blauen gegnerischen Linien zum Sieg tragen würde.
    Amory war fasziniert von den Reihen verschränkter Arme, die an ihm vorbeizogen, den Gesichtern, die über den Polohemden nicht zu erkennen waren, den Stimmen, die zu einem Triumphgesang verschmolzen – und dann zog die Prozession durch den schattigen Campbell Arch, und die Stimmen wurden schwächer, je weiter der Zug sich ostwärts über den Campus bewegte.
    Die Minuten vergingen, und Amory saß ganz ruhig da. Er bedauerte die Vorschrift, die es Freshmen verbot, nach dem Zapfenstreich außer Haus zu sein, denn er wollte die schattigen, duftenden Pfade durchstreifen, wo das Wohnheim Witherspoon wie eine dunkle Mutter über Whig und Clio, ihren attischen Kindern, schwebte, wo die schwarze gotische Schlange des Little sich zu Cuyler und Patton hinunterschlängelte und diese ihrerseits das Geheimnis über den sanft geneigten Abhang ergossen, der sich zum See hinabsenkte.
    Princeton bei Tag sickerte langsam in sein Bewusstsein – West und Reunion, die an die sechziger Jahre erinnerten; [68] die Seventynine-Hall, ziegelrot und hochmütig, Upper and Lower Pyne, aristokratische elisabethanische Damen, die nicht recht zufrieden schienen, zwischen Ladenbesitzern leben zu müssen, und über allem strebten die großen verträumten Spitzen der Holder- und Clevelandtürme in das klare Himmelsblau.
    Vom ersten Augenblick an liebte er Princeton – seine behäbige Schönheit, seine kaum fassliche Bedeutsamkeit, die wilden Vergnügungen bei Märschen im Mondlicht, das dichte Gedränge gutaussehender, wohlhabender Menschen bei den großen Spielen und vor allem die Kampfstimmung, die in seiner Klasse herrschte. Von dem Tag an, da die Freshmen in ihrem Collegedress erschöpft und mit flackerndem Blick in der Turnhalle saßen, um jemanden aus der Hill School zum Präsidenten ihres Jahrgangs zu wählen, eine Berühmtheit aus Lawrenceville zum Vizepräsidenten zu bestimmen und einen Hockeystar aus St. Paul zum Schriftführer, bis

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