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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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kamen sie auf dem Sommersitz der Borgés in Long Island an, und Amory eilte hinauf, um sich in einen Smoking zu werfen. Als er seine Manschettenknöpfe an-legte, wurde ihm bewusst, dass er das Leben genoss, wie er es vielleicht nie wieder genießen würde. Alles schien vom Schmelz seiner Jugend in ein besonderes Licht getaucht. Er hatte es geschafft, stand den Besten seiner Generation in Princeton in nichts nach. Er liebte und wurde wiedergeliebt. Er drehte alle Lichter an, betrachtete sich im Spiegel und versuchte, in seinem Gesicht die Eigenschaften auszumachen, die ihn klarer sehen ließen als die große Masse, ihn feste Entschlüsse treffen ließen und ihm ermöglichten, andere zu beeinflussen und selber seinem eigenen Willen zu folgen. Es gab nur wenig in seinem jetzigen Leben, was er hätte anders machen wollen… Oxford wäre vielleicht ein noch besserer Schauplatz gewesen.
    Schweigend bewunderte er sich selbst. Wie gut er doch aussah, und wie vorzüglich ihm ein Smoking stand! Er ging in die Vorhalle und wartete am Treppenabsatz, denn er hörte Schritte näher kommen. Es war Isabelle, und vom Scheitel ihres leuchtenden Haares bis zur Sohle ihrer kleinen goldenen Slipper war sie ihm noch nie so schön vorgekommen.
    »Isabelle!«, rief er, ohne es gewollt zu haben, und breitete die Arme aus. Wie im Märchen lief sie auf ihn zu und warf sich in seine Arme, und in der kurzen Minute, in der sich ihre Lippen zum ersten Mal berührten, erfuhr seine Eitelkeit die höchste Befriedigung, erreichte sein jugendlicher Egoismus den Gipfel.

[136] III
    Der Egoist überlegt
    »Autsch! Lass mich los!«
    Er ließ die Arme sinken. »Was ist?«
    »Dein Kragenknopf – er hat mir weh getan – da, schau!« Tatsächlich, die edle Blässe ihres Halses war von einem kleinen blauen Fleck von der Größe einer Erbse verunstaltet.
    »O Isabelle«, sagte er zerknirscht. »Ich bin ein Idiot. Wirklich, es tut mir leid – ich hätte dich nicht so fest an mich drücken dürfen.«
    Sie sah ungeduldig auf.
    »Ach, Amory, natürlich kannst du nichts dafür, und es hat auch nicht besonders weh getan; aber was sollen wir jetzt machen?«
    »Machen?«, fragte er. »Ach so – der Fleck. Der ist bestimmt gleich wieder verschwunden.«
    »Ist er nicht«, sagte sie, nachdem sie einen Moment angestrengt hingestarrt hatte, »er ist noch da – und sieht einfach abscheulich aus – o Amory, was machen wir bloß! Er ist genau auf der Höhe deiner Schulter.«
    »Massieren«, schlug er vor und unterdrückte eine leise aufsteigende Lachlust.
    Sie rieb behutsam mit ihren Fingerspitzen über den Fleck, und dann blitzte eine Träne in ihrem Augenwinkel auf und rollte über ihre Wange.
    [137] »O Amory«, sagte sie verzweifelt und blickte mit wahrer Jammermiene zu ihm auf, »wenn ich reibe, wird mein ganzer Hals feuerrot. Was soll ich bloß tun?«
    Ein Zitat schoss ihm durch den Kopf, und er konnte nicht widerstehen, es laut auszusprechen.
    »Alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht bleich machen.«
    Sie sah auf, und die Träne in ihrem Auge wurde zu Eis.
    »Du bist nicht sehr nett.«
    Amory missdeutete ihre Äußerung.
    »Isabelle, Liebste, es wird bestimmt –«
    »Rühr mich nicht an!«, schrie sie. »Als hätte ich nicht schon genug Scherereien am Hals, und du stehst da und lachst!«
    Dann unterlief ihm ein weiterer Ausrutscher. »Es ist doch wirklich komisch, Isabelle, und neulich haben wir noch davon gesprochen, dass Sinn für Humor etwas ist –«
    Sie sah ihn an, und es war kein Lächeln, das dabei ihre Mundwinkel umspielte, sondern eher der schwache, freudlose Abklatsch eines Lächelns.
    »Ach, halt doch den Mund!«, rief sie plötzlich und rannte den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Amory blieb stehen, reumütig und in tiefster Verwirrung.
    »Verdammt!«
    Als Isabelle wieder erschien, trug sie einen leichten Schal um die Schultern, und als sie die Treppe hinabstiegen, hüllten sie sich in Schweigen, das während des ganzen Abendessens anhielt.
    »Isabelle«, sagte er schließlich ziemlich gereizt, als sie in den Wagen stiegen, um zum Tanz im Greenwich-Country- [138] Club zu fahren, »du bist böse, und ich werd’s auch gleich sein. Geben wir uns einen Kuss und vertragen uns wieder.«
    Mürrisch überlegte Isabelle einen Augenblick.
    »Ich kann’s nicht leiden, wenn man mich auslacht«, sagte sie schließlich.
    »Ich tu’s nie wieder. Jetzt lache ich doch auch nicht, oder?«
    »Aber du hast’s getan.«
    »Ach komm, jetzt sei doch

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