Diesseits vom Paradies
in Rauch auflösten… Schließlich den verlassenen Prospect entlang und die McCosh-Avenue hinunter, ein Lied auf den Lippen, bis zur Nassau Street, wo es stets hoch herging.
Tom D’Invilliers und Amory waren in diesen Tagen bis spät in die Nacht unterwegs. Das Spielfieber hatte die Sophomore-Klasse erfasst, und manch schwüle Nacht hindurch würfelten sie bis drei Uhr morgens. Nach einer solchen Sitzung kamen sie aus Sloanes Zimmer und sahen, dass der Tau schon fiel und die Sterne am Himmel verblassten.
»Leihen wir uns Fahrräder und machen eine Tour«, schlug Amory vor.
»Gute Idee. Ich bin kein bisschen müde, und genaugenommen ist das die letzte Nacht in diesem Jahr, denn Montag gehen schon die ganzen Ballvorbereitungen los.«
Sie fanden zwei nicht abgeschlossene Fahrräder im Holder Court und machten sich etwa um halb vier Uhr morgens auf den Weg, die Lawrenceville Road entlang.
»Was machst du diesen Sommer, Amory?«
»Frag mich nicht – dasselbe wie immer, nehm ich an. Ein oder zwei Monate in Lake Geneva – ich rechne fest damit, dass du im Juli kommst, hörst du? – und dann Minneapolis, und das heißt eine Sommerparty nach der anderen, Süßholzraspeln, sich langweilen – aber sag, Tom«, sprach er plötzlich weiter, »ist das nicht ein famoses Jahr gewesen?«
»Nein«, erklärte Tom mit Nachdruck – ein neuer Tom, [127] mit Kleidung von Brooks und Schuhen von Franks –, »ich hab das Spiel gewonnen, aber ich glaub, dass ich es nicht noch einmal spielen will. Für dich ist es ganz richtig – du bist ein Gummiball, und irgendwie passt es zu dir, aber ich hab’s satt, mich aufzuführen, als gehörte ich zu den Snobs in diesem Winkel der Welt. Ich möchte irgendwohin, wo man nicht außen vor bleibt, weil man die falsche Krawattenfarbe oder die verkehrten Mantelaufschläge hat.«
»Dazu ist es zu spät, Tom«, widersprach Amory, während sie durch die aufklarende Nacht fuhren, »wo immer du jetzt hingehst, wirst du unbewusst jeden nach dem Maßstab abschätzen, ob er’s ›hat‹ oder ›nicht hat‹. Ob du willst oder nicht, wir haben dich geprägt; du bist einer aus Princeton!«
»Ja, aber«, wandte Tom ein, und seine rauhe Stimme nahm einen wehmütigen Ton an, »warum soll ich dann überhaupt wieder herkommen? Ich weiß jetzt, was Princeton zu bieten hat. Wozu soll ich mich noch zwei Jahre mit Haarspaltereien und Herumlungern im Club rumschlagen? Es bringt mich alles nur noch mehr durcheinander, und ich werde zum kompletten Spießer. Ich hab ja jetzt schon kaum noch Rückgrat, dass ich mich frage, wie ich damit überhaupt zurechtkomme.«
»Das alles trifft nicht den Punkt, Tom«, unterbrach ihn Amory. »Dir sind nur etwas plötzlich die Augen aufgegangen über die Versnobtheit der Welt. Princeton macht unweigerlich aus einem denkenden Wesen ein Mitglied der Gesellschaft.«
»Vermutlich denkst du, du hättest mir das beigebracht, nicht wahr?«, fragte Tom spöttisch und fasste Amory im Halbdunkel scharf ins Auge.
[128] Amory lachte leise.
»Etwa nicht?«
»Manchmal glaube ich«, sagte er langsam, »dass du mein böser Engel bist. Aus mir hätte ein ganz guter Dichter werden können.«
»Na komm, das ist wohl ein bisschen hart. Du hast dir doch das College im Osten ausgesucht. Entweder werden dir dort die Augen geöffnet für die Habgier der Menschen, oder du gehst blind durch alles hindurch – wie Marty Kaye –, und das hättest du schwer bereut.«
»Ja«, stimmte er zu, »du hast recht. Das hätte mir auch nicht gefallen. Trotzdem ist es hart, schon mit zwanzig zum Zyniker zu werden.«
»Ich bin schon seit meiner Geburt einer«, murmelte Amory. »Ich bin ein zynischer Idealist.« Er schwieg und fragte sich, ob das irgendetwas bedeutete.
Sie hatten die still daliegende Schule von Lawrenceville erreicht und machten sich auf den Rückweg.
»Gut, so Rad zu fahren, nicht?«, meinte Tom schließlich.
»Ja, ein guter Abschluss, einfach sagenhaft, heute Nacht ist alles gut. Wie sehne ich mich nach einem langen, heißen Sommer und Isabelle!«
»Ach, du und deine Isabelle! Ich wette, sie ist so ein Pflänzchen… Lass uns ein paar Gedichte aufsagen.«
Und Amory trug den vorbeirauschenden Büschen die Ode an eine Nachtigall vor.
»Aus mir wird nie ein Dichter«, sagte Amory, als er geendet hatte. »Dazu bin ich einfach nicht empfindsam genug; es gibt nur ein paar Dinge, deren Schönheit mir geradezu ins Auge springt – Frauen, Frühlingsabende, Musik in [129] der Nacht, das Meer;
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