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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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einmal zugeben konnten, etwas nicht verstanden zu haben, und Amory gehörte zu Letzteren. Es war ihm einfach unmöglich, Kegelschnitte zu begreifen; sie hatten etwas in sich Ruhendes und zugleich nervtötend Rechtschaffenes an sich, das aufreizend über Mr. Rooneys ungelüfteten Gemächern schwebte und ihre Gleichungen in unlösbare Anagramme verwandelte. In der Nacht vor dem Examen machte er eine letzte Anstrengung mit dem sprichwörtlichen nassen Handtuch um den Kopf und ging dann guten Mutes in die Prüfung, wobei er sich missvergnügt fragte, wohin aller Glanz und Ehrgeiz des Frühjahrs entschwunden war. Irgendwie hatte seit dem Bruch mit Isabelle die Vorstellung, in den ersten Studienjahren erfolgreich zu sein, für ihn viel von ihrer Verlockung eingebüßt, und er sah einem möglichen Scheitern bei der Nachprüfung höchst gleichmütig entgegen, obwohl dies seinen eigenmächtigen Ausschluss aus dem Redaktionsstab des Princetonian und das Ende seiner Chancen für den senior council bedeutete.
    Bisher hatte er immer Glück gehabt.
    [145] Er gähnte, kritzelte seine Ehrenerklärung auf den Umschlag und schlenderte aus dem Raum.
    »Wenn du’s nicht schaffst«, sagte Alec, als sie am Tag nach seiner Ankunft in Amorys Zimmer auf der Fensterbank saßen und über eine neue Wanddekoration beratschlagten, »bist du der größte Idiot, den die Welt je gesehen hat. Im Club und auf dem Campus werden deine Aktien absacken wie ein Fahrstuhl.«
    »Verdammt, das weiß ich. Wozu noch darauf herumreiten?«
    »Weil du’s verdienst. Wer solche Aussichten, wie du sie hattest, aufs Spiel setzt, der sollte überhaupt nicht als Kandidat für den Vorsitz beim Princetonian in Betracht kommen.«
    »Ach, hör auf damit«, protestierte Amory. »Abwarten, Tee trinken und vor allem: den Mund halten. Ich habe keine Lust, dass jeder im Club mich danach fragt, als wäre ich eine Riesenkartoffel, die man für die Gemüseschau gemästet hat.«
    Eine Woche später blieb Amory abends auf dem Weg zum Renwick unter seinem Fenster stehen, in dem er Licht sah, und rief hinauf:
    »He, Tom, ist Post gekommen?«
    Alecs Kopf erschien in dem gelb erleuchteten Rechteck.
    »Ja, dein Resultat ist da.«
    Sein Herz schlug wie wild.
    »Und – blau oder rosa?«
    »Weiß nicht. Komm besser rauf.«
    Er ging aufs Zimmer und sofort auf den Tisch zu, bis er plötzlich bemerkte, dass noch andere Personen im Raum waren.
    [146] »Hallo, Kerry.« Er war überaus höflich. »He, Männer von Princeton.« Die meisten schienen Freunde zu sein, also nahm er den mit »Prüfungsamt« beschrifteten Umschlag und wog ihn nervös in der Hand.
    »Was haben wir denn da für ein Stück Papier?«
    »Mach auf, Amory.«
    »Um’s spannend zu machen, sollt ihr alle wissen, dass, wenn er blau ist, mein Name aus dem Impressum des Princetonian getilgt wird und meine kurze Karriere damit beendet ist.«
    Er hielt inne und sah zum ersten Mal Ferrenbys Augen; sein hungriger Blick drohte ihn zu verschlingen. Amory gab den Blick scharf zurück.
    »Und nun, Gentlemen, seht mir ins Gesicht, und lasst euch keine Regung entgehen.«
    Er riss den Umschlag auf und hielt ihn ans Licht.
    »Na?«
    »Rosa oder blau?«
    »Sag schon.«
    »Wir sind ganz Ohr, Amory.«
    »Lächle oder fluche – oder tu sonst was.«
    Es entstand eine Pause… ein paar Sekunden verstrichen… dann sah er nochmals hin, und wieder verging eine kleine Weile…
    »Blau wie der Himmel, Gentlemen…«
    [147] Nachwirkungen
    Was Amory in diesem Jahr von Anfang September bis ins späte Frühjahr tat, war so plan- und ziellos, dass es kaum erwähnenswert scheint. Natürlich tat es ihm sofort unendlich leid um das, was er verloren hatte. Seine Erfolgsphilosophie war über ihm zusammengebrochen, und nun suchte er nach Gründen.
    »Deine eigene Faulheit«, sagte Alec später.
    »Nein – es liegt tiefer. Allmählich glaube ich, es war mir bestimmt, diese Chance zu verpassen.«
    »Im Club sind sie ganz schön wütend auf dich; mit jedem, der nicht besteht, wird unsere Gruppe schwächer.«
    »So einen Standpunkt finde ich abscheulich.«
    »Obwohl, wenn du dich ein bisschen anstrengst, kannst du natürlich ein Comeback schaffen.«
    »Nein – ich bin erledigt – jedenfalls, was Macht und Einfluss im College betrifft.«
    »Aber im Ernst, Amory, was mich am meisten ärgert, ist nicht, dass du jetzt nicht Vorsitzender vom Princetonian wirst und nicht in den senior council kommst, sondern einfach, dass du dich nicht hingesetzt hast, um diese blöde

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