Diesseits vom Paradies
Persönlichkeit des Dick Humbird, den er gekannt hatte, übriggeblieben war – es war alles so schrecklich, so unvornehm, so irdisch. Alle Tragödien haben diesen Zug ins Groteske und Schmutzige – so unnütz, vergeblich… wie ein Tier zu sterben… Amory erinnerte sich an eine Katze, die schrecklich zugerichtet an einer Allee seiner Kindheit gelegen hatte.
»Jemand fährt mit Ferrenby nach Princeton.«
Amory trat aus der Tür und schauderte leicht im späten Nachtwind – einem Wind, der einen zertrümmerten Kotflügel auf dem Haufen verbeulten Blechs klagend scheppern ließ.
Crescendo!
Durch einen gnädigen Zufall verging der nächste Tag im Wirbel. Sobald Amory allein war, kamen seine Gedanken im Zickzack unweigerlich immer wieder auf den roten Mund, der so widersinnig mitten in dem weißen Gesicht geklafft hatte, doch mit bewusster Anstrengung gelang es ihm, die Erinnerung daran durch die Vorfreude auf den heutigen Tag zuzudecken und sie eiskalt aus seinen Gedanken zu verbannen.
Isabelle und ihre Mutter trafen um vier Uhr in der Stadt ein, rollten durch eine fröhliche Menschenmenge die heitere [133] Prospect Avenue entlang, um im Cottage Tee zu trinken. An diesem Abend fanden die jährlichen Clubdinners statt, daher überließ er Isabelle um sieben Uhr zeitweilig einem Freshman und vereinbarte ein Wiedersehen um elf Uhr in der Turnhalle, wenn die höheren Semester zum Ball der Freshmen zugelassen wurden. Isabelle entsprach all seinen Erwartungen, und er brannte darauf, diesen Abend zum Höhepunkt seiner Träume werden zu lassen. Um neun standen die höheren Semester vor den Clubs, während die Fackelparade der Freshmen lärmend an ihnen vorbeizog, und Amory fragte sich, ob der Anblick der Gruppen in ihren Abendanzügen vor dem dunklen, imposanten Hintergrund und im Schein der Fackeln dem großäugigen, jubelnden Freshman diese Nacht wohl genauso glanzvoll erscheinen ließ wie ihm im Jahr zuvor.
Auch der nächste Tag brachte viel Wirbel. In einer fröhlichen Sechserrunde aßen sie im privaten Lunchraum des Clubs zu Mittag; Isabelle und Amory sahen sich über das gebratene Huhn hinweg zärtlich an und wussten, dass ihre Liebe ewig dauern würde. Bis fünf Uhr früh tanzten sie sich auf dem Ball die Füße wund, die solo erschienenen Herren klatschten Isabelle mit fröhlicher Hemmungslosigkeit ab, die um so ausgelassener wurde, je weiter der Abend fortschritt, und der Wein, den sie in den Taschen ihrer Mäntel in der Garderobe gelagert hatten, vertrieb die mahnende Müdigkeit bis zum nächsten Tag. Diese Solo-Herrenriege ist eine höchst homogene Masse Mensch. Stets reagiert sie mit schönster Einmütigkeit. Tanzt eine dunkelhaarige Schönheit vorbei, wird anerkennend durch die Zähne gepfiffen, die Welle wogt vorwärts, und einer, der [134] schneller ist als der Rest, stürzt mutig vor und klatscht ab. Wenn dann das ein Meter achtzig große Mädchen (das Kaye aus deiner Klasse mitgebracht hat und das er dir schon den ganzen Abend vorzustellen versucht) vorbeigaloppiert, wogt die Linie zurück, die Gruppen schauen sich um und vertiefen sich in entfernten Ecken des Saales in angeregte Gespräche, denn da kommt Kaye, bekümmert und schwitzend, und boxt sich auf der Suche nach vertrauten Gesichtern durch die Menge.
»Ich sag’s dir, alter Junge, ich hab da ein furchtbar nettes –«
»Tut mir leid, Kaye, aber für diesen Tanz bin ich schon besetzt. Muss bei einem Freund abklatschen.«
»Na, und für den nächsten?«
»Was – ähm – öh – ich schwör’s dir, da muss ich auch irgendwo abklatschen – sag mir Bescheid, wenn sie einen Tanz frei hat.«
Zu Amorys Freude schlug Isabelle vor, den Ball eine Weile zu verlassen und in ihrem Wagen spazieren zu fahren. Eine köstliche Stunde lang, die viel zu schnell verging, glitten sie auf den stillen Straßen rund um Princeton dahin und sprachen verlegen und erregt von Dingen, die sie nur oberflächlich bewegten. Amory fühlte sich seltsam jung und unerfahren und machte keine Anstalten, sie zu küssen.
Am nächsten Tag fuhren sie durch New Jersey, aßen in New York zu Mittag und sahen am Nachmittag ein Problemstück, bei dem Isabelle den ganzen zweiten Akt hindurch weinte, was Amory ziemlich verlegen machte – obwohl es ihn auch mit Zärtlichkeit erfüllte, sie so zu sehen. Er war versucht, sich hinüberzubeugen und ihre Tränen [135] fortzuküssen, und im Schutz der Dunkelheit stahl sich ihre Hand in seine, um dort sanft gedrückt zu werden.
Um sechs
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