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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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langsam. »Wie stark mein Standpunkt von Propaganda beeinflusst ist, die ich gehört habe, kann ich nicht sagen; natürlich halte ich alles für meine innerste Überzeugung – es scheint mir ein Weg, der sich eben vor mir ausbreitet.«
    Amory krampfte sich das Herz zusammen.
    »Aber bedenk doch nur, wie billig das Ganze ist – als Pazifist wirst du nicht mal zum Märtyrer – du lässt dich einfach nur auf das Schlimmste ein.«
    »Das bezweifle ich«, unterbrach er.
    »Mir riecht das Ganze zu sehr nach New Yorker Boheme.«
    »Ich weiß, was du meinst, und deshalb bin ich nicht sicher, ob ich wirklich agitieren soll.«
    »Du bist ein Einzelner, Burne – willst mit Leuten reden, [220] die dir gar nicht zuhören wollen – und das mit deiner Begabung, die Gott dir gegeben hat.«
    »So muss Stephanus vor vielen Jahren auch gedacht haben. Dennoch hielt er seine Predigten, und dafür haben sie ihn getötet. Vielleicht dachte er, als er starb, wie sinnlos das alles gewesen ist. Aber weißt du, ich habe mir immer vorgestellt, dass Stephanus’ Tod das Erlebnis war, das Paulus auf dem Weg nach Damaskus widerfuhr und ihn dazu brachte, das Wort Christi in aller Welt zu predigen.«
    »Sprich weiter.«
    »Das ist alles – dies ist einfach meine Pflicht. Selbst wenn ich im Augenblick nur eine Marionette bin – nur das Opferlamm. Lieber Gott, Amory – du glaubst doch nicht, dass ich etwas für die Deutschen übrig habe!«
    »Ich kann nichts weiter dazu sagen – wenn ich die Logik der Widerstandslosigkeit bis an ihr Ende durchdenke, dann sehe ich dort, wie ein fehlendes Glied in der Kette, das riesenhafte Gespenst Mensch stehen, wie er ist und immer sein wird. Und diese Erscheinung steht direkt neben der einen zwingenden Logik von Tolstoi und der anderen zwingenden Logik von Nietzsche…« Amory brach plötzlich ab. »Wann gehst du?«
    »Nächste Woche.«
    »Ich sehe dich doch noch, oder?«
    Als er wegging, hatte Amory den Eindruck, dass sein Gesichtsausdruck stark an den von Kerry erinnerte, als dieser sich zwei Jahre zuvor unter dem Blair Arch verabschiedet hatte. Amory fragte sich voller Unglück, warum er selbst niemals mit der unbedingten Aufrichtigkeit dieser beiden an eine Sache herangehen konnte.
    [221] »Burne ist ein Fanatiker«, sagte er zu Tom, »und er liegt völlig falsch und ist, meiner Meinung nach, nichts als eine ahnungslose Marionette in den Händen anarchistischer Zeitungsverleger und von Deutschen bezahlter Schmierfinken– aber er geht mir ständig im Kopf herum – einfach alles aufzugeben, was einem lieb und wert ist…«
    Burne nahm eine Woche später mit beherrschter Erregung Abschied. Er verkaufte seinen gesamten Besitz und kam dann ins Zimmer herunter, um auf Wiedersehen zu sagen; er hatte ein schrottreifes altes Fahrrad bei sich, auf dem er nach Pennsylvania heimzuradeln gedachte.
    »Peter der Eremit nimmt seinen Abschied von Kardinal Richelieu«, schlug Alec vor, der lässig an der Fensterbank lehnte, während Burne und Amory sich die Hände schüttelten.
    Doch Amory war nicht zu solchen Scherzen aufgelegt, und als er Burnes lange Beine die Pedale seines lächerlichen Gefährts in Richtung Alexander Hall treten sah, bis sie außer Sicht waren, wusste er, dass ihm eine schlimme Woche bevorstand. Nicht dass er den Krieg in Frage stellte – Deutschland stand für alles, was er verabscheute; für Materialismus und eine schreckliche und zügellose Gewaltherrschaft; es war Burnes Gesicht, das ihm im Gedächtnis blieb, und schon jetzt hatte er die Hysterie satt, die sich um ihn herum breitmachte.
    »Wozu, verdammt noch mal, soll das gut sein, plötzlich Goethe schlechtzumachen«, sagte er zu Alec und Tom. »Wozu Bücher schreiben, die beweisen sollen, dass er mit dem Krieg angefangen hat – oder dass dieser dumme, überschätzte Schiller ein Wolf im Schafspelz ist?«
    [222] »Hast du je etwas von ihnen gelesen?«, fragte Tom scharfsinnig.
    »Nein«, gestand Amory.
    »Ich auch nicht«, sagte er lachend.
    »Lasst die Leute ruhig toben«, sagte Alec gelassen, »Goethe wird doch auf seinem guten alten Regal in der Bibliothek bleiben – und weiter jeden langweilen, der ihn lesen will.«
    Amory lenkte ein, und das Thema wurde fallengelassen.
    »Was hast du vor, Amory?«
    »Infanterie oder Fliegerei, ich kann mich nicht entscheiden – alles Technische ist mir ein Greuel, aber die Fliegerei ist natürlich das Einzige, was für mich in Frage kommt…«
    »Mir geht’s wie Amory«, sagte Tom. »Infanterie

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