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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Vorstellungen irgendeines alten sentimentalen griechischen Bildhauers entspricht, aber ich versichere dir, ohne dieses Gesicht wäre ich eine friedliche Nonne im Kloster ohne…«, und dann fing sie an zu laufen, und ihre erhobene Stimme wehte zu ihm zurück, während er ihr folgte, »…meine süßen Kinder, zu denen ich jetzt zurückmuss, um mich um sie zu kümmern.«
    Sie war das einzige Mädchen, das er kannte, bei dem er verstehen konnte, dass sie einen anderen Mann vorziehen [217] würde. Oft traf Amory verheiratete Frauen, die er als Debütantinnen gekannt hatte, und wenn er ihnen tief in die Augen sah, bildete er sich ein, in ihren Gesichtern etwas zu entdecken, das ihm sagte: »Ach, wenn ich dich hätte bekommen können!« Oh, welch enorme Einbildung eines Mannes!
    Doch diese Nacht schien eine Nacht der Sterne und Gesänge, und Claras schöne Seele glänzte noch auf den Wegen, die sie gegangen waren.
    »Golden, golden ist die Luft«, sang er den kleinen Wasserteichen vor… »Golden ist die Luft, goldene Töne von goldenen Mandolinen, goldene Saiten an goldenen Geigen, lieblich, ach, so überdrüssig lieblich… Flechtwerke von Weidenkörben, die kein Sterblicher trägt; oh, welch junger schweifender Gott, wer weiß oder fragt je?… Wer könnte solches Gold je schenken…«
    Amory ist aufgebracht
    Unaufhaltsam, Schritt für Schritt, zuletzt jedoch in einer plötzlichen Wallung, während Amory noch redete und träumte, wälzte sich der Krieg geschwind über den Strand und spülte den Sand fort, auf dem Princeton spielte. Jeden Abend erzitterte der Boden der Turnhalle unter dem dröhnenden Stampfen von Infanteriezügen, die schwerfällig um die Basketballmarkierungen marschierten. Das nächste Wochenende verbrachte Amory in Washington und wurde dort von der herrschenden Krisenstimmung angesteckt, die sich auf dem Rückweg im Pullmanwagen in Abscheu gegen die stinkenden Ausländer – Griechen, schätzte er, oder [218] Russen – verwandelte, die ihm gegenüber Schlafwagenplätze besetzt hielten. Er dachte darüber nach, wie viel leichter Patriotismus für eine homogene Nation gewesen war, wie viel leichter es gewesen wäre, so zu kämpfen, wie damals die Kolonien oder die Konföderierten gekämpft haben. Er tat in dieser Nacht kein Auge zu, sondern lauschte dem Gewieher und Geschnarche der Fremden, die das Abteil mit den Ausdünstungen des heutigen Amerika erfüllten.
    In Princeton riss jedermann öffentlich Witze und sagte sich unter vier Augen, dass sie zumindest den Heldentod sterben würden. Die Literaturstudenten lasen mit Leidenschaft Rupert Brooke; die Salonlöwen machten sich Sorgen, ob die Regierung Offiziersuniformen in englischem Schnitt genehmigen würde; ein paar hoffnungslose Weichlinge schrieben an die obskursten Abteilungen des Kriegsministeriums und ersuchten um eine leichte Tätigkeit und eine bequeme Schlafkoje.
    Nach einer Woche sah Amory Burne und wusste sofort, dass jede Diskussion zwecklos wäre – Burne war Pazifist geworden. Sozialistische Wochenschriften, ein profundes Halbwissen über Tolstoi und sein eigenes heftiges Verlangen nach einer guten Sache, die alle in ihm verborgene Stärke zutage förderte, hatten ihn schließlich dazu bewogen, als sein subjektives Ideal den Frieden zu predigen.
    »Als die deutsche Armee in Belgien einmarschierte«, begann er, »wenn die Bevölkerung weiter friedlich ihren Geschäften nachgegangen wäre, hätte das die deutsche Armee derart aus dem Konzept gebracht, dass –«
    »Ich weiß«, unterbrach Amory. »Das hab ich alles längst gehört. Aber ich habe keine Lust, mit dir [219] Propagandaphrasen zu dreschen. Möglicherweise hast du recht – aber selbst dann sind wir noch Jahrhunderte von der Zeit entfernt, wo Widerstandslosigkeit für uns Realität werden könnte.«
    »Aber, Amory, hör mal…«
    »Burne, wir würden uns doch nur streiten…«
    »Na schön.«
    »Nur eines – ich will dich nicht bitten, an deine Familie oder deine Freunde zu denken, weil ich weiß, dass sie neben deinem Pflichtbewusstsein für dich keinen Pfifferling zählen – aber, Burne, woher weißt du, dass die Magazine, die du liest, und die Gesellschaften, denen du beitrittst, und diese Idealisten, mit denen du dich triffst, nicht völlig auf Seiten der Deutschen sind?«
    »Einige sind es, sicher.«
    »Woher weißt du, ob sie nicht alle prodeutsch sind – bloß ein Haufen Schwächlinge – mit deutsch-jüdischen Namen?«
    »Das ist natürlich möglich«, sagte er

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