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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sie trotz ihrer befremdlichen Altklugheit ausgelassen wie ein kleines Mädchen. Gerade hat ihr die Zofe ihrer Mutter die Haare frisiert, doch voller Ungeduld glaubt sie, es selbst besser zu können. Sie ist einfach zu nervös, um an einem Ort stillzusitzen. Dieser Tatsache verdanken wir ihre Anwesenheit in dem chaotischen Zimmer. Sie setzt zum Sprechen an. ISABELLES Altstimme hatte wie eine Geige geklungen, doch wenn Sie ROSALIND hören könnten, würden Sie sagen, dass ihre Stimme wohlklingend wie ein Wasserfall sei.
    [252] ROSALIND Ehrlich gesagt, es gibt überhaupt nur zwei Kostüme, die ich wirklich gerne anziehe – kämmt dabei am Toilettentisch ihr Haar. Das eine ist ein Reifrock mit Pantalons und das andere ein einteiliger Badeanzug. In beiden sehe ich einfach hinreißend aus.
    CECELIA Bist du froh, dass du in die Gesellschaft eingeführt wirst?
    ROSALIND Ja – du etwa nicht?
    CECELIA zynisch Du bist ja nur froh, dass du endlich heiraten darfst und dann zur »flotten Gesellschaft Jungvermählter« auf Long Island gehörst. Du wünschst dir das ganze Leben als eine Kette aus Flirts, und jedes Kettenglied ist ein neuer Mann.
    ROSALIND Was heißt: Ich wünsch mir! Du wolltest sagen: Für mich ist es so!
    CECELIA Ha!
    ROSALIND Cecelia, Liebling, du weißt ja gar nicht, wie lästig es ist, so zu sein – wie ich. Auf der Straße muss ich eine eiserne Miene aufsetzen, damit die Männer mir nicht zuzwinkern. Wenn ich in den vorderen Reihen im Theater zu laut lache, spielt der Schauspieler den Rest des Abends nur noch für mich. Wenn ich bei einem Tanz die Stimme senke, die Augen niederschlage, mein Taschentuch fallen lasse, ruft mich mein Tanzpartner eine geschlagene Woche lang jeden Tag an.
    CECELIA Das muss wirklich scheußlich anstrengend sein.
    ROSALIND Unglücklicherweise kommt von den Männern, die mich wirklich interessieren, kein Einziger auch nur annähernd in Frage. Also – wenn ich arm wäre, würde ich zum Theater gehen.
    [253] CECELIA Ja, für deine tägliche Schauspielerei könntest du dich ebenso gut bezahlen lassen.
    ROSALIND Manchmal, wenn ich mich besonders strahlend gefühlt habe, ist mir in den Sinn gekommen, warum das alles nur für einen Mann abfallen soll.
    CECELIA Und oft, wenn du besonders ekelhafter Laune bist, habe ich mich gefragt, warum das alles nur für eine einzige Familie abfallen soll. Steht auf. Ich sollte mal runtergehen und Mr. Amory Blaine begrüßen. Ich mag eigenwillige Männer.
    ROSALIND Die gibt es gar nicht. Männer können weder richtig wütend noch richtig glücklich sein – und diejenigen, die es können, ruinieren sich damit.
    CECELIA Das sind zum Glück alles nicht meine Sorgen. Ich bin verlobt.
    ROSALIND mit spöttischem Lächeln Verlobt? Wie, bist du wahnsinnig! Wenn Mutter dich so reden hört, schickt sie dich sofort aufs Internat, wo du hingehörst.
    CECELIA Du wirst ihr nichts erzählen, ich weiß nämlich auch Sachen, die ich ihr sagen könnte – und du bist nur auf deinen Vorteil aus!
    ROSALIND etwas verärgert Geh doch, du kleine Göre! Mit wem bist du denn verlobt, mit dem Eismann? Oder mit dem Mann, dem der Süßwarenladen gehört?
    CECELIA Billiger Scherz – mach’s gut, Liebling, bis später.
    ROSALIND O ja, bestimmt, und vergiss es nicht – du bist mir solch eine Hilfe!
    Abgang CECELIA. ROSALIND ist fertig mit ihrem Haar und steht summend auf. Sie stellt sich vor den Spiegel und [254] beginnt auf dem weichen Teppich zu tanzen. Dabei beobachtet sie nicht ihre Füße; sondern ihre Augen – nicht nebenbei, sondern immer mit gespannter Aufmerksamkeit, selbst beim Lächeln. Plötzlich öffnet sich die Tür und fällt knallend hinter AMORY zu, der lässig und gutaussehend ist wie immer. Er ist auf der Stelle verwirrt.
    ER Oh, tut mir leid. Ich dachte…
    SIE mit strahlendem Lächeln Sie sind Amory Blaine, nicht wahr?
    ER betrachtet sie genau Und Sie sind Rosalind?
    SIE Ich darf doch Amory sagen – komm ruhig rein – ist schon in Ordnung – Mutter wird gleich da sein – flüsternd: Leider.
    ER schaut sich um Das ist irgendwie Neuland für mich.
    SIE Das ist Nie-Manns-Land.
    ER Dies ist dein – dein… Pause
    SIE Ja – das alles. Sie geht zur Spiegelkommode. Schau, hier ist mein Rouge – und meine Lidstifte…
    ER Ich wusste nicht, dass du so bist.
    SIE Was hast du dir denn vorgestellt?
    ER Ich dachte, du wärst eher – eher – geschlechtslos, weißt du, nur Schwimmen und Golf.
    SIE Oh, bin ich auch – aber doch nicht während der

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