Diesseits vom Paradies
sieben oder acht leere Pappschachteln, denen hechelnd Seidenpapierzungen aus dem Maul hängen; (2) ein Sortiment Straßenkostüme auf einem Haufen zusammen mit ihren abendlichen Schwestern, alle auf dem Tisch, alle offensichtlich brandneu; (3) eine Tüllrolle, die ihre Würde verloren und sich wie eine Spirale um alles in Sichtweite herumgeschlungen hat; und (4) auf den beiden kleinen Stühlen eine Kollektion Damenwäsche, deren Beschreibung sich verbietet. Man würde gern die Rechnung sehen, die diese Pracht nach sich gezogen haben muss, und man ist neugierig auf die Prinzessin, für die – Halt! Da ist jemand! [246] Enttäuschung! Es ist nur ein Zimmermädchen, das nach etwas sucht – sie hebt einen Haufen vom Stuhl hoch – nein, hier nicht; einen anderen Haufen, den Toilettentisch, die Schubladen der Chiffonière. Sie fördert dabei mehrere sehr schöne Damenhemden zutage sowie einen phantastischen Pyjama, doch dieser stellt sie nicht zufrieden – sie geht hinaus.
Ein unverständliches Gemurmel aus dem Nebenzimmer.
Nun kommen wir der Sache näher. Es ist Alecs Mutter, MRS. CONNAGE, stattlich, würdevoll, mit so viel Rouge, wie es einer Matrone ihres Standes zukommt, und ziemlich erschöpft. Ihre Lippen bewegen sich vielsagend, während sie ES sucht. Ihre Suche ist weniger gründlich als die des Zimmermädchens, aber dafür mit einer Spur wütender Gereiztheit, die vollauf für ihre Flüchtigkeit entschädigt. Sie stolpert über den Tüll und gibt ein vernehmliches »Verdammt« von sich. Sie zieht sich mit leeren Händen zurück.
Immer aufgeregteres Geplapper draußen, und die Stimme eines Mädchens, eine sehr verwöhnte Stimme, sagt: »Von allen Idioten…«
Nach kurzer Pause tritt eine dritte Sucherin auf, nicht die mit der verwöhnten Stimme, sondern eine jüngere Ausgabe. Dies ist CECELIA CONNAGE, sechzehn, hübsch, pfiffig und grundsätzlich gutmütig veranlagt. Sie trägt ein Abendkleid, dessen offenkundige Schlichtheit sie vermutlich langweilt. Sie geht zum nächstbesten Haufen, fischt ein kleines rosa Kleidungsstück heraus und hält es abschätzend hoch.
CECELIA Rosa?
ROSALIND von draußen Ja!
CECELIA Sehr fesch?
[247] ROSALIND Ja!
CECELIA Ich hab’s!
Sie sieht sich im Spiegel des Toilettentisches und beginnt begeistert, Shimmy zu tanzen.
ROSALIND von draußen Was machst du – probierst du’s an?
CECELIA hört auf und geht hinaus, sie trägt das Kleidungsstück über der rechten Schulter.
Zur anderen Tür kommt ALEC CONNAGE herein. Er schaut sich rasch um und schreit aus vollem Hals Mama! Ein Protestchor ist von der anderen Tür her zu vernehmen; ermutigt geht er hin, wird jedoch von einem weiteren Protestchor aufgehalten.
ALEC Hier seid ihr also alle! Amory Blaine ist da.
CECELIA schnell Bring ihn mit nach unten.
ALEC Er ist schon unten.
MRS. CONNAGE Dann zeig ihm sein Zimmer. Sag ihm, es tut mir leid, dass ich ihn im Augenblick nicht empfangen kann.
ALEC Er hat schon so viel von euch allen gehört. Beeilt euch doch bitte. Vater erzählt ihm seine ganzen Kriegserlebnisse, und er wird langsam unruhig. Er ist ziemlich eigenwillig.
Diese letzte Bemerkung genügt, um CECELIA auf den Plan zu rufen.
CECELIA setzt sich auf den Stapel Damenwäsche Was meinst du damit, er ist eigenwillig? Das hast du schon in deinen Briefen von ihm gesagt.
ALEC Weil er alles Mögliche schreibt.
CECELIA Spielt er Klavier?
[248] ALEC Ich glaub nicht.
CECELIA forschend Trinkt er?
ALEC Ja – was das angeht, ist er ganz normal.
CECELIA Hat er Geld?
ALEC Lieber Himmel – frag ihn doch selbst, früher hatte er jede Menge, und jetzt hat er auch irgendwelche Einkünfte.
MRS. CONNAGE erscheint Natürlich freuen wir uns über jeden Besuch deiner Freunde, Alec…
ALEC Ihr müsst Amory unbedingt kennenlernen.
MRS. CONNAGE Natürlich, sehr gerne. Aber ich finde es kindisch von dir, dass du dein wunderschönes Heim verlassen hast, um mit zwei anderen Jungen in einem unmöglichen Apartment zu wohnen. Ich hoffe, ihr tut es nicht deshalb, damit ihr alle so viel trinken könnt, wie ihr wollt. Sie hält inne. Heute Abend wird er allerdings ein wenig zurückstehen müssen. Schließlich ist das Rosalinds Woche. Wenn ein Mädchen in die Gesellschaft eingeführt wird, gehört alle Aufmerksamkeit ihr.
ROSALIND von draußen Dann beweis das mal, und komm her zum Zuhaken.
MRS. CONNAGE geht hinaus.
ALEC Rosalind hat sich überhaupt nicht verändert.
CECELIA in gedämpfter Lautstärke Sie ist grauenhaft
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