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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Geschäftszeit.
    ER Geschäft?
    SIE Von sechs bis zwei – ganz strikt.
    ER Wenn das eine Aktiengesellschaft ist, hätte ich gern ein paar Anteile.
    SIE Keine Aktiengesellschaft – einfach »Rosalind, mit unbeschränkter Haftung«. Einundfünfzig Prozent [255] Beteiligung, guter Name, guter Ruf, und mit 25 000 Dollar im Jahr läuft die Sache.
    ER missbilligend Ein ziemlich abschreckendes Unternehmen.
    SIE Aber, Amory, es schreckt dich doch nicht ab, oder? Wenn ich je einen Mann treffen sollte, der mich nicht nach zwei Wochen zu Tode langweilt, wird es vielleicht anders.
    ER Seltsam, du denkst über Männer das Gleiche wie ich über Frauen.
    SIE Ich bin nicht typisch weiblich – jedenfalls nicht in dem, was ich denke.
    ER interessiert Sprich weiter.
    SIE Nein, du – du musst weiterreden – du hast mich dazu gebracht, über mich selbst zu reden. Das ist gegen die Regeln.
    ER Regeln?
    SIE Meine eigenen Regeln – aber du – Amory, wie ich höre, bist du einfach brillant. Die Familie ist schon so gespannt auf dich.
    ER Wie ermutigend!
    SIE Alec hat gesagt, du hättest ihm das Denken beigebracht. Ist das wahr? Ich hätte nie geglaubt, dass jemand das fertigbringt.
    ER Nein. In Wirklichkeit ist mit mir nicht viel los.
    Er legt offensichtlich keinen Wert darauf, dass diese Äußerung ernst genommen wird.
    SIE Lügner.
    ER Ich bin – ich bin religiös – Ich bin Literat. Ich hab – ich hab sogar Gedichte geschrieben.
    SIE Freie Verse – wie herrlich! Sie deklamiert:
    [256] Die Bäume sind grün,
    Die Vögel singen in den Bäumen,
    Das Mädchen schluckt ihr Gift,
    Die Vögel fliegen fort, das Mädchen stirbt.
    ER lachend Nein, nicht solche.
    SIE plötzlich Ich mag dich.
    ER Lieber nicht.
    SIE Auch noch bescheiden –
    ER Ich hab Angst vor dir. Ich hab vor jedem Mädchen Angst – bis ich sie geküsst habe.
    SIE stürmisch Mein lieber Junge, der Krieg ist vorbei.
    ER Dann werd ich wohl immer Angst vor dir haben.
    SIE ziemlich traurig Das glaube ich auch.
    Leises Zögern auf beiden Seiten.
    ER nach gebührender Überlegung Hör zu. Es ist eine unverschämte Bitte.
    SIE weiß, was kommt Nach fünf Minuten.
    ER Trotzdem – willst du – mich küssen? Oder hast du Angst?
    SIE Ich habe nie Angst – aber deine Gründe sind so dürftig.
    ER Rosalind, ich möchte dich wirklich küssen.
    SIE Ich dich auch.
    Sie küssen sich – nachdrücklich und gründlich.
    ER nach einer atemlosen Sekunde Ist deine Neugier jetzt befriedigt.
    SIE Deine denn?
    ER Nein, nur gereizt.
    Genauso sieht er aus.
    [257] SIE träumerisch Ich hab schon Dutzende von Männern geküsst. Ich schätze, ich werde noch Dutzende küssen.
    ER geistesabwesend Gut möglich – so wie du’s angehst.
    SIE Die meisten mögen meine Art, zu küssen.
    ER kommt wieder zu sich Lieber Gott, ja. Küss mich noch einmal, Rosalind.
    SIE Nein – meine Neugier ist meistens nach dem ersten Mal befriedigt.
    ER entmutigt Ist das eine Regel?
    SIE Ich entscheide die Regeln von Fall zu Fall.
    ER Du und ich, wir sind uns in gewisser Weise ähnlich – außer dass ich dir an Erfahrung um Jahre voraus bin.
    SIE Wie alt bist du?
    ER Fast dreiundzwanzig. Und du?
    SIE Neunzehn – gerade geworden.
    ER Ich nehme an, du bist das Produkt einer vornehmen Schule.
    SIE Nein – ich bin noch ziemlich im Rohzustand. Aus Spence bin ich rausgeflogen – ich weiß nicht mehr, warum.
    ER Wie würdest du dich selbst einordnen?
    SIE Oh, ich bin intelligent, ziemlich selbstsüchtig, gefühlvoll, wenn man mich in Stimmung bringt, lass mich gern bewundern…
    ER plötzlich Ich will mich nicht in dich verlieben…
    SIE hebt die Brauen Kein Mensch zwingt dich.
    ER redet kühl weiter Aber ich werde es wahrscheinlich. Ich mag deinen Mund.
    SIE Still! Verlieb dich bitte nicht in meinen Mund – meinetwegen in meine Haare, Augen, Schultern, Schuhe – aber nicht in meinen Mund. Jeder verliebt sich in meinen Mund.
    [258] ER Er ist aber sehr schön.
    SIE Er ist zu klein.
    ER Nein, ist er nicht – lass mal sehen.
    Er küsst sie erneut mit demselben Nachdruck.
    SIE leicht erregt Sag was Nettes.
    ER verschreckt Gott steh mir bei.
    SIE entzieht sich Dann eben nicht – wenn’s so schwerfällt.
    ER Sollen wir etwa so tun als ob? Jetzt schon?
    SIE Bei uns gehen die Uhren anders als bei anderen Leuten.
    ER Da haben wir’s – schon geht es um andere Leute.
    SIE Lass uns so tun als ob.
    ER Nein – das kann ich nicht – das ist sentimental.
    SIE Bist du nicht sentimental?
    ER Nein, ich bin romantisch – eine

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