Diesseits vom Paradies
oder einen Roman zustande gebracht, die die nächsten zehn Jahre überdauern werden. Dieser Cobb – ich finde ihn weder klug noch unterhaltsam, und überhaupt, ich glaube, die meisten Leute finden das auch, außer den Herausgebern. Die viele Werbung hat ihn völlig berauscht. Und dieser Harold Bell Wright, und dann Zane Grey…«
[313] »Sie versuchen es wenigstens.«
»Nein, sie versuchen es nicht einmal. Manche können durchaus schreiben, aber sie schaffen es nicht, sich hinzusetzen und einen anständigen Roman zu produzieren. Die meisten können nicht schreiben, das muss ich zugeben. Ich nehme an, dass Rupert Hughes versucht, ein wahrheitsgetreues, umfassendes Bild des amerikanischen Lebens zu entwerfen, aber sein Stil und seine Sichtweise sind barbarisch. Ernest Poole und Dorothy Canfield versuchen es, doch steht ihnen ihre völlige Humorlosigkeit im Weg; aber zumindest packen sie eine Menge in ihr Werk hinein, statt alles so breit wie möglich auszuwalzen. Jeder Autor sollte jedes Buch so schreiben, als würde er geköpft, sobald er damit fertig wäre.«
»Ist das double entente ?«
»Halt mich nicht auf! Es gibt einige wenige, die so etwas wie einen kulturellen Hintergrund, Intelligenz und eine gehörige Portion literarisches Geschick mitbekommen haben, aber sie wollen ganz einfach nichts Ernsthaftes schreiben; sie behaupten alle, es gäbe kein Publikum für gute Literatur. Und warum zum Teufel beziehen dann Wells, Conrad, Galsworthy, Shaw, Bennett und alle Übrigen mehr als die Hälfte ihrer Einkünfte aus Amerika?«
»Wie gefallen Klein Tommy denn die Dichter?«
Das gab Tom den Rest. Er ließ die Arme schlaff zu beiden Seiten des Stuhls herunterbaumeln und stieß schwache Grunzlaute aus.
»Ich schreib gerade an einer Satire über sie, die heißt ›Bostoner Barden und Hearst-Rezensenten‹.«
»Lass mal hören«, drängte Amory.
[314] »Ich hab erst die letzten paar Zeilen fertig.«
»Das ist sehr modern. Lass hören, wenn sie lustig sind.«
Tom zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche und las laut vor, machte gelegentlich Pausen, damit Amory begriff, dass es sich um freien Vers handelte:
So
Walter Arensberg,
Alfred Kreymbourg,
Carl Sandburg,
Louis Untermeyer,
Eunice Tietjens,
Clara Shanafelt,
James Oppenheim,
Maxwell Bodenheim,
Richard Glaenzer,
Scharmel Iris,
Conrad Aiken,
Ich verzeichne eure Namen hier,
Damit ihr weiterlebt,
Wenn auch nur als Namen,
Kuriose malvenfarbene Namen
Im Frühwerk
Meiner Gesammelten Schriften.
Amory lachte schallend.
»Damit gewinnst du das Eiserne Stiefmütterchen. Für die Arroganz der letzten beiden Zeilen lad ich dich zum Essen ein.«
Amory war nicht ganz einverstanden mit Toms [315] Rundumschlag auf die amerikanischen Schriftsteller und Dichter. Er las gern Vachel Lindsay und Booth Tarkington und bewunderte Edgar Lee Masters’ gewissenhafte, wenn auch schmalbrüstige Kunstfertigkeit.
»Was ich nicht ausstehen kann, ist dieses idiotische Gefasel von wegen ›Ich bin Gott – Ich bin Mensch – Ich reite auf den Winden – Ich sehe durch den Rauch – Ich bin der Puls des Lebens‹.«
»Grauenvoll ist das!«
»Und ich wäre froh, wenn die amerikanischen Romanschriftsteller endlich damit aufhören wollten, romantische Aspekte am Geschäftsleben zu entdecken. Kein Mensch will so was lesen, außer es handelt sich um krumme Geschäfte. Wenn das wirklich ein unterhaltsames Thema wäre, würden sie eine Biographie von J. J. Hill kaufen und nicht eine dieser endlosen Bürotragödien, die dauernd auf der tieferen Bedeutung des Rauchs herumreiten…«
»Und die Schwermut«, sagte Tom. »Das ist auch ein Lieblingsthema, obwohl ich zugeben muss, dass die Russen das Monopol darauf haben. Unsere Spezialität sind Geschichten über kleine Mädchen, die sich das Rückgrat brechen und von mürrischen alten Griesgramen adoptiert werden, weil sie dauernd lächeln. Man sollte meinen, unser Volk bestünde aus lauter gutgelaunten Krüppeln und die übliche Todesursache des russischen Bauern wäre der Selbstmord…«
»Sechs Uhr«, sagte Amory nach einem Blick auf seine Armbanduhr. »Jetzt lad ich dich zu einem grandiosen Abendessen ein, aufgrund des Frühwerks deiner Gesammelten Schriften.«
[316] Blick zurück
Der Juli schwitzte sich mit einer letzten heißen Woche aus, und Amory kam es in einem neuerlichen Anfall von Unruhe zu Bewusstsein, dass es erst fünf Monate her war, seit er und Rosalind sich begegnet waren. Dennoch fiel es ihm
Weitere Kostenlose Bücher