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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sie können es nicht. Zu viele Stimmen, zu viel weitverstreute, unlogische, unbesonnene Kritik. Bei den Zeitungen ist es noch schlimmer. Jeder [310] reiche, reaktionäre alte Knacker mit dieser besonders habgierigen, gewinnsüchtigen Mentalität, die man Finanzgenie nennt, kann Besitzer einer Zeitung sein, die Tausenden von müden, gehetzten Menschen geistige Speise und Trank ist, Menschen, die zu sehr damit beschäftigt sind, mit dem modernen Leben fertig zu werden, als dass sie noch anderes als vorgekautes Essen schlucken könnten. Für zwei Cent erwirbt der Wähler seine Politik, seine Vorurteile und seine Philosophie. Ein Jahr später gibt es ein neues politisches Kampffeld oder einen Besitzerwechsel bei der Zeitung; Folge: noch mehr Verwirrung, Widersprüchlichkeit, ein plötzlicher Zustrom neuer Ideen, ihre Schwächung, ihre Filterung, die Gegenreaktion…«
    Er hielt nur inne, um Atem zu holen.
    »Und deswegen habe ich geschworen, keine Zeile zu Papier zu bringen, bevor meine Ideen nicht klarer geworden sind oder mich gänzlich verlassen; ich habe genug Sünden auf meinem Konto, auch ohne dass ich gefährliche, seichte Epigramme unter die Leute bringe; am Ende bin ich noch schuld daran, dass ein armer harmloser Kapitalist in allzu große Nähe einer Bombe gerät oder dass ein unschuldiger kleiner Bolschewik einer Maschinengewehrkugel nicht mehr ausweichen kann…«
    Tom wurde allmählich unruhig angesichts dieser Schmähung seiner Tätigkeit für die New Democracy.
    »Was hat das alles damit zu tun, dass du dich langweilst?«
    Amory fand, dass es sehr viel damit zu tun hatte.
    »Wie passe ich da hinein?«, fragte er. »Wozu bin ich gut? Um die Nation fortzupflanzen? Wenn wir den amerikanischen Romanen Glauben schenken, dann ist der ›gesunde [311] amerikanische Junge‹ von neunzehn bis fünfundzwanzig ein völlig geschlechtsloses Wesen. Tatsächlich trifft das um so weniger zu, je gesünder er ist. Die einzige Möglichkeit, sich nicht davon unterkriegen zu lassen, ist irgendein brennendes Interesse. Nun, der Krieg ist vorbei; ich halte die Verantwortung des Schriftstellers zu sehr in Ehren, um im Augenblick etwas zu schreiben; und das Geschäftsleben, das spricht wohl für sich. Es hat keinerlei Verbindung zu irgendetwas auf der Welt, wofür ich mich je interessiert habe, außer einer winzigen, aus Nützlichkeitsgründen entstandenen Verbindung zu ökonomischen Fragen. Was ich davon zu sehen bekäme, auf verlorenem Posten als Verkäufer für die nächsten und besten zehn Jahre meines Lebens, hätte etwa den intellektuellen Gehalt eines Unterhaltungsfilms.«
    »Versuch’s mit Romanen«, schlug Tom vor.
    »Die Schwierigkeit ist, ich werde schnell abgelenkt, wenn ich anfange, Geschichten zu schreiben – kriege Angst, dass ich sie schreibe, statt zu leben – denke, dass vielleicht im Japanischen Garten im Ritz oder in Atlantic City oder in der Lower East Side das Leben auf mich wartet. – Wie auch immer«, fuhr er fort, »mich treibt keine innere Notwendigkeit. Ich wollte ein ganz normales menschliches Wesen sein, aber das Mädchen hat nicht mitgespielt.«
    »Du wirst eine andere finden.«
    »Lieber Gott! Verscheuch diesen Gedanken. Warum erzählst du mir nicht, ›wenn das Mädchen es wirklich wert gewesen wäre, hätte sie auf dich gewartet‹? Nein, Sir, das Mädchen, das es wirklich wert ist, wartet auf niemanden. Wenn ich mir eine andere vorstellen könnte, würde ich meinen restlichen Glauben an die menschliche Natur verlieren. [312] Vielleicht werde ich mich amüsieren – aber Rosalind war das einzige Mädchen auf der weiten Welt, das mich hätte halten können.«
    »Na schön«, gähnte Tom, »jetzt habe ich dir eine geschlagene Stunde lang mein Ohr geliehen. Immerhin bin ich froh zu sehen, dass du allmählich wieder über etwas wütend werden kannst.«
    »Das stimmt«, pflichtete Amory ihm bei. »Aber trotzdem, wenn ich eine glückliche Familie sehe, wird’s mir flau im Magen…«
    »Glückliche Familien tun ihr Bestes, um in den Leuten so ein Gefühl aufkommen zu lassen«, sagte Tom zynisch.
    Tom der Zensor
    Es gab Tage, an denen Amory zuhörte; und zwar dann, wenn sich Tom, in Rauchwolken gehüllt, der Abschlachtung der amerikanischen Literatur hingab. Ihm fehlten die Worte.
    »Fünfzigtausend Dollar im Jahr«, schrie er. »Mein Gott! Schau sie dir an, schau sie dir doch an – Edna Ferber, Gouverneur Morris, Fanny Hurst, Mary Roberts Rineheart – keiner von ihnen hat auch nur eine Erzählung

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