Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
Russen geschriebene deutsche Bücher unters Volk brachte. An diesem Abend machte der Buchhändler einen guten Umsatz. Meinen Schrebergartenroman verkaufte er kistenweise.
Die Gartenschau platzte aus allen Nähten, denn die Schwaben lieben Gärten. Im Grunde ist das ganze Schwabenland ein einziges Gartenreich. Obwohl, Hand aufs Herz, ist nicht unser ganzer Planet eine Gartenanlage? Überall ist Garten – ein gepflegter oder ungepflegter, ein kaputt gemachter, asphaltierter, ein verhinderter Garten, ein verwilderter, englischer, französischer, chinesischer. Oder ein schwäbischer.
»Wir leben in einem riesigen Garten«, behauptete ich und wunderte mich im Gespräch mit meinem Gastgeber über die merkwürdigen, außerirdisch klingenden Namen der kleinen Orte, an denen ich gerade vorbeigefahren war: Calw, Hirsau, Monakam und Siehdichum.
»Alles alte, verdiente Orte«, klärte mich mein Gastgeber auf. »Calw zum Beispiel ist die Heimatstadt von Hermann Hesse. Obwohl Hermann Hesse zu dieser Stadt überhaupt nicht passt, weder als Mensch noch als Schriftsteller.«
Ich war überrascht, dass Hermann Hesse nicht irgendwo in Hessen auf die Welt gekommen war, wie man seinem Namen entnehmen könnte, sondern im Schwabenland. Ich habe seine Bücher auf Russisch in der Armee gelesen und sie als Trauerhymne der Einsamkeit, als laute Absage an eine geistlose und gesichtslose Umgebung verstanden. Ein Mann, der sich dagegen wehrt, als Rädchen in der Maschine des Alltags zu verrosten, wird immer allein und unverstanden bleiben, so interpretierte ich seine Botschaft. Damals in der Armee kamen seine Bücher gerade zur rechten Zeit. Wie wahr, dachte ich, wie tief und ergreifend. Ich fühlte mich in seinen Büchern so zu Hause, als hätte ich sie selbst geschrieben. Sie passten perfekt in die Einöde des Soldatenlebens. Zur schwäbischen Landschaft passen sie gar nicht.
»Doch, doch, er war ein Schwabe aus Calw!«, überzeugten mich die Gastgeber. Dort in Calw stand angeblich sogar sein Elternhaus mit einer Erinnerungstafel, gab es gar ein Hermann-Hesse-Museum, und die dortige Schule trage seinen Namen. Aber die Calwer selbst mögen ihren berühmten Landsmann nicht. Und das nicht nur, weil er nichts Gutes über sie und seine Heimatstadt geschrieben hat. Ganz grundsätzlich können die Calwer in Hesse nicht ihren Bruder im Geiste erkennen. Manche älteren Bürger, die sich noch an ihn erinnern, sagen, er wäre ein Querulant und Angeber gewesen, habe sich bereits als Kind aus jeder gemeinnützigen Arbeit rausgehalten, seine Nachbarn wie Fremde behandelt, und seine Eltern wären auch nicht viel besser gewesen. Sie hätten nie etwas in ihrem Garten gemacht. In der Pubertät wäre dieser Hesse kaum zu ertragen gewesen, stets depressiv und verspannt. Er ging nur unwillig zur Kirche, und ein guter Schüler wäre er auch nie gewesen. Unverständlich, warum jetzt die Schule seinen Namen trage.
Die Tatsache, dass Hesse Weltberühmtheit erlangte, können sich die Calwiner nur damit erklären, dass seine Leser den Autor nicht persönlich zum Nachbarn hatten. Hesse konnte seinerseits seiner Heimatstadt und den Menschen dort auch nicht viel abgewinnen. Ihre Gefühle beruhten also auf Gegenseitigkeit. Bei der erstbesten Gelegenheit habe Hesse die Stadt verlassen und sei nie zurückgekehrt, erzählte mir mein Gastgeber. Er habe aber der Stadt und dem dortigen Bürgertum ein schwieriges Erbe hinterlassen – die Erinnerungsstätte von jemandem zu sein, der gegen alles Bürgerliche meuterte. Deswegen fallen die meisten Touristen, die zum Hesse-Museum kommen, auch unangenehm auf. Sie fahren oft Motorräder, sitzen auf der Straße, statt in die Gaststätte zu gehen, und machen viel Lärm in der Stadt, ohne dort auch viel Geld auszugeben. Während nach Nagold zum Beispiel fast nur anständige Gartenfreunde kommen. Die eher seltenen Rentner fahren nach Hirsau, und gar keiner kommt nach Siehdichum, allein schon des Namens wegen.
Ich bin, Gott sei Dank, nicht weltberühmt wie Hesse, und doch hängt mein Foto als Stickerei im »Haus des Gastes« in Seebeck an der Wand, an der Tafel für all die prominenten Persönlichkeiten, die dieses gastfreundliche Haus jemals besucht haben. Ich hänge allein dort. Hesse hatte keine Zeit, durch Brandenburg zu fahren, und die anderen Künstler lassen auf sich warten.
Fliegenfischen
»Ich mache mir nichts aus Angeln«, schüttelte mein Freund Oleg den Kopf. »Alle sollen bleiben, wo sie sind, die Fische im Wasser, die
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