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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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kommen aber eher selten auf den »Weg des Leidens«, viel öfter sehe ich dort die Glücklitzer selbst, die nachdenklich zwischen Wald und Feld auf diesem Weg spazieren gehen. Auch wir gehen den Weg des Leidens oft, zum Beispiel um Pilze zu sammeln oder eben um zum Haus »des verlorengegangenen Gastes« im Nachbarort zu gelangen.
    Das Haus ist eigentlich eine phantastisch ausgestattete Kneipe mit Tresen, Billard, Kegelbahn, Musikanlage, großer Leinwand und sogar einer umfangreichen Bibliothek. Alle Getränke kosten hier bloß einen Euro, nur Gäste gibt es kaum. Auf jeden Fall keine ungeladenen, fremden Gäste, die niemand kennt. Wo sollten solche Gäste überhaupt herkommen, etwa wie Hänsel und Gretel aus dem Wald? Trotz der fehlenden Gäste oder gerade deswegen machte das Haus einen gastfreundlichen Eindruck. Sicher hätten Hänsel und Gretel ihren Spaß im »Haus des Gastes« gehabt, wenn sie in Seebeck aus dem Wald gekommen wären. Sie hätten ein Bier fast für umsonst trinken, Billard spielen und mit uns Fußball gucken können. Statt im gastfreundlichen Brandenburg kamen sie aber irgendwo in Hessen aus dem Wald, glaube ich. Na dann, viel Glück.
    Diesmal war das »Haus des Gastes« beinahe voll. Das ganze Dorf schien gute Laune zu haben, was bei Brandenburgern relativ ist und sich äußerlich kaum von schlechter Laune unterscheidet. Auch wenn sie für ihre Mannschaft fiebern, lassen sie sich nichts anmerken. Noch nie habe ich so unaufgeregte Fußballfans wie die Glücklitzer gesehen. Sicher schlug ihr Herz für Deutschland, aber es klopfte nicht allzu doll. Die deutschen Millionäre auf dem Feld spielten diesmal uninspiriert, die italienischen dagegen attackierten so verzweifelt, als würde ihr ganzer Wohlstand davon abhängen. Am Ende verloren die Deutschen, man sah den Trainer, der verzweifelt an seinen Fingernägeln kaute.
    »Na jut. Jetzt müssen wir wohl alle Pizza bestellen?«, fragten die Glücklitzer den Wirt. Er lächelte. Es war natürlich ein Witz, eine rhetorische Frage, denn bis zur nächsten Pizza waren es gut dreißig Kilometer durch den Wald. Und die Italiener hätten, denke ich, an diesem Tag sowieso nicht geliefert. Bestimmt feierten sie selbstvergessen den Sieg, und jeder schmiss sich seinem Nächsten an die Brust, als hätte er selbst gerade den Elfmeter geschossen. Die Italiener konnten lange feiern.
    Zum Glück sind nicht alle italienischen Lokale in Deutschland in italienischer Hand. Vor einiger Zeit war ich zu einer Lesung nach Nagold eingeladen, genau genommen sollte ich bei der dortigen Landesgartenschau einen Vortrag zum Thema »Gartenarbeit als Lebensaufgabe« halten. Die Einwohner dieses sehr kleinen Städtchens fühlten sich von der riesigen Landesgartenschau vollkommen überrumpelt, beinahe drangsaliert.
    »Da kommen hungrige Gäste gleich zu Dutzenden ins Lokal, alle wollen etwas essen und jeder etwas anderes!«, beschwerte sich der mollige Wirt des dortigen Gasthauses. Er war ziemlich außer Atem.
    Ich fragte den türkischen Buchhändler, der zu meinem Vortrag Gartenliteratur verkaufte, wo ich vielleicht ohne Stress essen gehen könne. Er meinte, der hiesige Grieche wäre nicht schlecht, ein enger Verwandter von ihm, und der Italiener sei sein Onkel. Beide Restaurants würden ebenso familiär wie gewissenhaft geführt. Ich fühlte mich, als wäre ich nicht in Nagold, sondern in meiner eigenen Erzählung gelandet, in der die Griechen in Wirklichkeit Türken sind und umgekehrt. Ich fragte den Buchhändler, warum seine Verwandten nicht türkisch kochten. Natürlich hätten sie zuerst versucht, die Nagolder für die türkische Küche und die türkische Gastfreundschaft zu begeistern, erklärte mir der Buchhändler die Lage. Hierzulande gelte es als korrekt, wenn man nach einem Restaurantbesuch am nächsten Tag zu seinen Freunden, Kollegen oder Nachbarn sagte: »Wir waren gestern beim Italiener«, oder zur Not: »Als wir gestern beim Griechen saßen«, meinte er. Doch wer es wagte, laut in einer Runde zu sagen, er sei gestern bei einem Türken gewesen, werde in den Augen aller als zur sozial schwachen und bildungsfernen Schicht gehörig abgetan. Deswegen strenge sich sein Onkel an, seine Gäste mit »Ciao«, »Salute« und ähnlichen Wörtern zu begrüßen, die er einstudiert habe, um das Authentisch-Italienische seines Lokals hervorzuheben. Im Buchhandel hätten die Leute Gott sei Dank weniger Vorurteile. Sie hätten kein Problem damit, wenn ein türkischer Buchhändler von einem

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