Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
eintrafen, wurde es jedoch um einiges lebhafter. Hendel war schon so lange auf seinem Beobachtungsposten, dass er die meisten Angestellten wiedererkannte und ihnen Spitznamen wie „Strichmännchen“, „Vierauge“ und „Fettie“ gegeben hatte. Das Problem war, die Augen offen zu halten, während er durch das Fernglas schaute, das im hinteren Teil des Laderaums aufgebaut worden war.
Hendel war froh, als es klopfte, da das bedeutete, das der heiß ersehnte Kaffee und sein Frühstück gebracht wurden. Er legte eine Hand an seine Pistole, sagte „Herein“ und sah, wie eine der beiden Türen aufschwang. Das Mädchen hieß Cora, und er bezahlte sie, damit sie ihm in regelmäßigen Abständen etwas zu essen kaufte und vorbeibrachte. Cora hatte strubbeliges Haar, dunkle Haut und leuchtend braune Augen. „Magst du Pfannkuchen?“, fragte das kleine Mädchen, während es den dampfenden Karton hochhielt. „Ich liebe Pfannkuchen!“
„Dann teilen wir“, sagte Hendel freundlich. „Mach bitte die Tür hinter dir zu.“
Nachdem Cora das Frühstück auf dem Fahrzeugboden abgestellt hatte und in den Wagen geklettert war, ließ Hendel sich sein Frühstück schmecken. Cora war ebenfalls hungrig, und sie war ein Plappermaul, was bedeutete, dass sie die Neigung besaß, mit vollem Mund zu sprechen.
Doch das war Hendel nur recht, da er wenig zu sagen hatte, besonders einem sieben Jahre alten Straßenkind. Also trank er den Kaffee und beobachtete, wie Cora sich das Essen in den Mund stopfte, und lauschte ihren Erzählungen, was sie alles tun wollte, wenn sie erwachsen war. Sie wollte wie Aria T’Loak werden.
Immer wieder blickte Hendel durch das Fernglas, sobald Leute kamen oder gingen. Er beendete gerade seine Hälfte der mit Würstchen gefüllten Pfannkuchen, als ein großer Lastwagen vor dem Labor vorfuhr und stoppte. Hendel fluchte, denn der Fahrer stieg aus, ging zur hinteren Tür und begann, Kisten auszuladen. So wie er die Kisten aufeinanderstapelte, konnte Hendel den Eingang des Gebäudes nicht mehr sehen. Das bedeutete, dass jedermann das Labor unbemerkt betreten und verlassen konnte.
Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis einer der Angestellten des Labors herauskam und die Kisten forttrug, sodass der Lastwagenfahrer weiterfahren konnte. In dem Augenblick, in dem der Wagen anfuhr, erschien Nick Donahue. Er war in dem Gebäude gewesen. Wie lange, konnte Hendel unmöglich sagen. Nick hatte sich eine rote Jacke über die Schultern geworfen, die vorne offen stand. Hendel konnte deutlich die weißen Verbände sehen, die quer über Nicks Brust verliefen.
Der Teenager wirkte größer, als Hendel ihn in Erinnerung hatte, und war mit zwei Pistolen bewaffnet. Neben ihm her ging eine zufrieden lächelnde junge Frau mit braunem Haar. So wie sie an ihm hing, waren die beiden mehr als nur Freunde. Nick, der ungelenke Teenager, mit einer Freundin? Das war nur schwer zu glauben.
Das Mädchen flüsterte Nick etwas ins Ohr, und Hendel sah, wie er nickte. Die beiden wandten sich ab. Hendel wusste, dass er nur wenige Sekunden hatte, um sein Versteck zu verlassen und die beiden einzuholen, bevor sie im Labyrinth der Straßen und Gassen verschwanden. Er ließ das Fernglas, wo es war, packte seine Schrotflinte und gab Cora fünfzig Credits. „Danke, Süße, und hier noch ein Rat: Werde bitte nicht wie Ana T’Loak. Sie ist nicht sehr nett.“ Schon warf er die Wagentür hinter sich zu und rannte los.
Zu dieser Stunde waren die Straßen bereits recht belebt. Einige Leute machten wütende Bemerkungen, als Hendel durch die Menge pflügte und die Passanten mit seinen Schultern rücksichtslos beiseitedrückte. Gut zehn Sekunden später entdeckte er das Paar, das Arm in Arm die Straße entlangspazierte.
Hendel wollte vorwärtshechten, sich Nick packen und ihn zur Vernunft bringen. Doch das wäre ein Fehler gewesen, und er wusste es. Nein, er würde dem Jungen folgen und dann entscheiden, was zu tun war. Rasch wurde Hendel klar, dass Nick und seine Freundin keine Eile hatten. Sie betraten ein gutes Dutzend Läden, bevor sie endlich eine Rikscha anhielten und einstiegen.
Hendel blieb nichts anderes übrig, als ihnen hinterherzulaufen, bis er selbst eine Beförderungsmöglichkeit gefunden hatte. Ständig befürchtete er, dass Nick sich umblickte und ihn erkannte. Nach gut fünf Minuten sprang er in eine freie Rikscha, die von einem verwegen aussehenden Turianer gesteuert wurde. „Sehen Sie die Rikscha dort vorne?“, fragte
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