Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
Gelegenheiten hatte er stets vor einem beeindruckenden Hintergrund gesessen, einer Sonne oder einer Planetenoberfläche. Doch dieses Mal war der Hintergrund grau und nichtssagend, als befände sich der Unbekannte an Bord eines Raumschiffs oder an einem Ort, den er geheim halten wollte. Er nickte höflich. „Aria T’Loak! Es ist mir stets eine Freude. Sie sehen nicht einen Tag älter als zweihundert aus.“
T’Loak lächelte. „Das sagen Sie garantiert allen Frauen, mit denen Sie zu tun haben.“
„Nur den Angehörigen Ihres Volkes. Etwas anderes wäre gefährlich.“
T’Loak lachte. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe etwas verloren und will es unbedingt zurückhaben.“
„Ich verstehe. Über was genau sprechen wir?“
„Über einen Mann, einen meiner Agenten. Er wurde entführt.“
T’Loak spürte, wie ihr Pulsschlag sich erhöhte. Das Gespräch wurde interessant. „Und dieser Mann befindet sich auf Omega?“
„Ja. Aus diesem Grund habe ich Sie angerufen.“
„Natürlich“, sagte T’Loak, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass der Unbekannte sich an sie wendete – was es ja eigentlich auch war. „Was können Sie mir über ihn sagen?“
„Er heißt Kai Leng“, sagte der Unbekannte, und ließ sein Feuerzeug aufflammen. „Eine Organisation, die sich Biotischer Untergrund nennt, hat ihn gekidnappt. Er sieht so aus.“
Ein dreidimensionales Bild erschien anstelle des Unbekannten und begann nach einem Augenblick, langsam zu rotieren. T’Loak stockte der Atem, als sie das Bild betrachtete, und hatte das Gefühl, das Blut würde ihr in den Adern gefrieren. Der Mann hatte leicht asiatische Gesichtszüge und entsprach exakt der Beschreibung, die Shella ihr von der Person gegeben hatte, die ihrer Tochter die Kehle aufgeschlitzt hatte. Das war definitiv der Mann, der Liselle kaltblütig ermordet hatte!
Der Unbekannte hatte recht. Leng wurde vom Biotischen Untergrund festgehalten, einer der beiden Organisationen, die T’Loaks Bank ausgeraubt hatten, und diejenige, von der sie keine Spur gehabt hatte, bis sie am Tag zuvor Kahlee Sanders und David Anderson aufgesucht hatten. Sie wussten, wo die Biotiker sich versteckten, und hofften, zwei von Sanders’ ehemaligen Schülern zu retten. Ein wirklich törichtes Vorhaben, hielten sich die beiden jungen Leute doch freiwillig auf Omega auf. Für T’Loak erwies es sich nun jedoch als wahrer Glücksfall.
Es war wichtig, dass sie diese Sache für sich behielt, denn der Unbekannte wollte Kai Leng retten, während sie ihn töten wollte. „Aufnehmen und speichern“, befahl T’Loak, damit Lengs Bild ihr auch in Zukunft zur Verfügung stand.
Der Unbekannte erschien wieder. Er rauchte, und die Glut seiner Zigarette leuchtete wie ein unheilvolles Auge, als er einen tiefen Zug nahm. „Ich weiß, wo er ist, aber ich bin derzeit knapp mit meinem Personal und könnte etwas Hilfe gebrauchen, um ihn zu befreien. Könnten Sie mir vielleicht helfen?“
„Ja, das kann ich. Aber es wird Sie etwas kosten.“
Der Unbekannte lächelte. „Damit habe ich gerechnet. Wie viel?“
T’Loak dachte einen Moment lang nach. Es war wichtig, die Summe so hoch anzusetzen, dass es den Unbekannten schmerzte, aber nicht so hoch, dass er absprang. Sie freute sich darauf, den Agenten des Unbekannten zu töten und damit Geld zu verdienen. „Zwei Millionen.“
Der Unbekannte atmete aus, und die Rauchwolke wirbelte umher, als ein Lufthauch sie traf. „Leng ist wertvoll für mich, aber nicht so wertvoll. Eine Million.“
„Eineinhalb.“
„Gut, eineinhalb. Aber nur, wenn Sie rasch handeln. Ich versuche, noch etwas Zeit herauszuschinden, aber die Biotiker drängen mich sehr. So langsam wird es knapp.“
„Warum zahlen Sie nicht einfach das geforderte Lösegeld?“
Der Unbekannte klopfte die Asche von seiner Zigarette. „Vertrauen Sie dem Biotischen Untergrund?“
„Nein.“
„Ich auch nicht.“
T’Loak nickte. „Wir werden einen Befreiungsversuch innerhalb der nächsten zwei Zyklen unternehmen.“
„Wollen Sie gar nicht wissen, wo mein Mann gefangen gehalten wird?“
T’Loak lächelte. „Das weiß ich bereits.“
♦ ♦ ♦
Die Dinge waren schrecklich schiefgelaufen, und Gillian hatte keine Ahnung, wie sie ihr Versagen rechtfertigen sollte. Hatte sie eben noch neben dem inneren Tor gestanden und auf ihr Universalwerkzeug geschaut, war sie im nächsten Augenblick durch die Luft geflogen. Bei dem Aufprall auf die Höhlenwand
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