Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
„Herzlich willkommen auf der Citadel!“
♦ ♦ ♦
Kai Leng saß am Küchentisch und stopfte das mitgebrachte Essen in sich hinein, als der Alarm zu summen begann. Die behelfsmäßige Beobachtungsstation befand sich auf der anderen Seite des Raumes. Also nahm er seinen Teller und ging hinüber. Das System verfügte über Bewegungsmelder, die bestimmten, welche Kamerawinkel aufgezeichnet wurden, bis er selbst übernahm. Während Leng sich weiter salarianisches Curry in den Mund schaufelte, beobachtete er das, was er bereits erwartet hatte. Anderson betrat die Wohnung als Erster, gefolgt von Kahlee. Leng hatte einen guten Blick auf die Tür und den größten Teil des Wohnzimmers.
Nun geschah etwas völlig Unerwartetes. Statt die Tür hinter sich zu schließen, trat Kahlee zur Seite und hielt sie weit auf. Das war der Moment, als Hai McCann eintrat, gefolgt von einem weiteren Mann und Paul Graysons Tochter! Das war mehr als überraschend, da McCann tot war – oder tot sein sollte, da er in der Schlacht um die Cerberus-Station gefallen und von den Turianern entsorgt worden war.
Die Tatsache, dass McCann überlebt hatte, war eine positive Überraschung. Zumindest erschien es Leng so, da er mit dem Mann befreundet gewesen war. Aber wo war er seit dem Kampf gewesen? Und warum war er auf der Citadel? Leng stellte den Teller auf den Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. Ein schneller Check bestätigte, dass die automatische Aufzeichnung lief.
Der Ton klang ein wenig hohl, aber man konnte alles gut verstehen. Im Wohnzimmer befanden sich drei Kameras. Leng übernahm das Kommando über das System, um näher heranzuzoomen. „Setzt euch irgendwo hin“, sagte Anderson. „Ich hole etwas zu trinken. Wir haben uns eine Menge zu erzählen. Wer möchte anfangen?“
Leng schaute und hörte interessiert zu, wie Gillian den ersten Teil ihrer Reise an Bord der Idenna beschrieb, gefolgt von dem Kampf mit den Batarianern und der Befreiung der Sklaven. Anderson und Kahlee waren fasziniert. Doch McCann schien ein wenig nervös zu sein. Warum? Er wusste doch, wie das Ganze ausgegangen war. Oder gab es da noch etwas anderes? Etwas, das McCann Gillian nicht gesagt hatte? Ja, überlegte Leng, Hai steckt in der Klemme.
„So“, schloss Gillian, „nachdem Hai uns berichtete, dass mein Vater ermordet worden war, wollte ich mehr erfahren. Außerdem mussten wir uns um eine Schiffsladung Sklaven kümmern, die wieder in die Zivilisation zurückkehren wollten. Also kamen wir hierher. Ich bat Hai, bei uns zu bleiben, bis ich mit euch gesprochen habe. Er hat eine spannende Geschichte zu erzählen. Das stimmt doch, oder, Hai?“
Leng meinte, einen merkwürdigen Unterton aus Gillians Stimme herauszuhören, und beobachtete McCann aufmerksam, der sichtlich nervös war. Die Geschichte, die er über seine Erlebnisse auf der Cerberus-Raumstation und den Angriff der Turianer erzählte, war auf das Wesentliche reduziert. Leng wusste, warum McCann sich so verhielt. Er wollte nicht, dass Gillian die Wahrheit erfuhr, denn er war Mitglied des Teams im Experimentallabor gewesen und mitverantwortlich für die Art, wie Graysons Körper modifiziert worden war.
Kahlee blickte Anderson an, als McCann seine Geschichte beendet hatte, und sagte an Gillian gewandt: „Es tut mir so leid, Schatz! David und ich wissen, wer deinen Vater tötete und warum. Wie dir vielleicht bekannt ist, wird der Kopf von Cerberus der Unbekannte genannt. Er vollführte Experimente mit deinem Vater. Doch der konnte fliehen und kam schließlich zur Akademie. Wir sind nicht ganz sicher, warum, aber möglicherweise wurde er von den Reapern gezwungen, Informationen über die vielversprechendsten Biotiker zu sammeln. Es war ein schrecklicher Kampf, und ein Cerberus-Attentäter erschoss deinen Vater.“
Tränen rannen über Gillians Wangen. „Du hast ihn getötet, oder?“
„Nein“, antwortete Anderson. „Das habe ich nicht. Aber ich hätte es gekonnt, und ich hätte es tatsächlich tun sollen. Dafür muss ich mich entschuldigen.“
Aber du hast ihm in beide Beine geschossen, dachte Leng bitter, und dafür wirst du bezahlen.
„Überleg doch“, sagte Kahlee beruhigend. „Der Mörder war auch nur ein Werkzeug. Der Unbekannte ist der wahre Mörder.“
Gillian wischte sich die Tränen fort. „Dann muss ich ihn finden. Wo ist er?“
„Das weiß niemand“, sagte Anderson, „es sei denn, Hai kann es uns verraten. Wie sieht es aus? Hat der Unbekannte ein Versteck, einen
Weitere Kostenlose Bücher