Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
wenn ich mich recht erinnere … Soll sich jemand anders um die Angelegenheit kümmern?“
„Wir haben uns ein paarmal getroffen und etwas miteinander getrunken und auf der Station Karten gespielt. Freunde ist da nicht das passende Wort.“
Der Unbekannte blies einen Schwall Rauch in Richtung des Hologramms. Das Bild zitterte. „Also wollen Sie sich um ihn kümmern?“
„Ja.“
„Gut. Das bringt uns zu Graysons Tochter Gillian. Sie macht den Eindruck eines überreizten Teenagers, der seinen Vater betrauert. Sie verdient unsere Geduld und unser Verständnis.
Wie auch immer“, fuhr der Unbekannte fort und klopfte die Asche in den Aschenbecher, „Leidenschaft ist eine gefährliche Sache. Nehmen Sie sich selbst als Beispiel. Die Allianz hat Sie ins Gefängnis gesperrt, weil Sie einen Kroganer bei einer Kneipenschlägerei mit einem Messer getötet haben. Einen Kroganer, um Himmels willen! Diese Ungerechtigkeit machte Sie zu einem leidenschaftlichen Kämpfer für die menschliche Sache. Aus rohem Erz wurde so eine vollendete Klinge. Wenn wir uns also Gillians Schicksal annehmen, müssen wir uns überlegen, was aus ihr werden könnte. Und ich denke, das kann durchaus etwas Gefährliches sein.“
„Verstanden.“
„Nun gut“, sagte der Unbekannte, „Schluss mit McCann und dem Mädchen. Sie hatten eine Aufgabe … Wo ist Graysons Leichnam?“
Ein weniger selbstsicherer Agent wäre jetzt zusammengezuckt oder hätte irgendwelche Entschuldigungen gestammelt. Nicht so Leng. „In dieser Sache habe ich noch nichts erreicht.“
„Das ist enttäuschend.“
„Ich arbeite daran.“
„Sehen Sie zu, dass Sie es schaffen. Solange der Rat den Leichnam in Gewahrsam hat, kann er ihn gegen uns verwenden. Schwierige Tage liegen vor uns. Unsere Glaubwürdigkeit wird wichtig sein. Und, Kai …“
„Ja?“
„Mir wurde berichtet, dass Sie einen Krückstock benutzen. Achten Sie auf Ihr Bein.“
Das Hologramm fiel in sich zusammen, und der Unbekannte grinste grimmig. Seine letzte Bemerkung sollte Leng wissen lassen, dass auch er überwacht wurde, und ihm zugleich demonstrieren, dass der Kopf von Cerberus ihn schätzte. Denn, so überlegte der Unbekannte, es ist wichtig, menschlich zu sein.
♦ ♦ ♦
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Gillian sich frei. Solange sie zurückdenken konnte, war sie eine Gefangene gewesen: erst an der Grissom-Akademie, dann bei der quarianischen Flotte. Nun, da sie ihre Bewacher hinter sich gelassen hatte, konnte sie tun, was sie wollte. Es war völlig gleichgültig, ob Hendel und Kahlee damit einverstanden waren.
Doch sie hatten nicht völlig unrecht. Gillian wusste das. Der Unbekannte würde gut geschützt sein. Doch das war ein Problem, das gelöst werden konnte, indem sie ihre bemerkenswerten biotischen Kräfte einsetzte und sie noch weiter verstärkte. Das würde natürlich Geld kosten, aber glücklicherweise verfügte Gillian über eine stille Reserve. In dem batarianischen Sklavenschiff befand sich ein großer Safe. Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen war es ihr gelungen, ihn zu öffnen und so Zugriff auf eine Kiste voller Berylliumkugeln zu erhalten. Jede wog um die hundert Gramm und war tausend Credits wert. Der größte Teil der Kugeln wurde an die Mannschaft der Idenna verteilt, darunter auch Gillian, und den Rest hatten die befreiten Sklaven bekommen.
Gillians erste Aufgabe bestand nun darin, einen erstklassigen Hersteller von Implantaten zu finden, der über die Möglichkeit verfügte, ihre Gesamteffektivität um mindestens zehn Prozent zu erhöhen.
Weil sie nirgendwo sonst hinkonnte, checkte sie in einem Boxtel ein. Es war lauter, als ihr lieb war, doch schließlich kehrte gegen ein Uhr morgens Ruhe ein, sodass sie endlich Schlaf fand.
Als sie am frühen Morgen erwachte, hatte sie neue Zuversicht gewonnen. Gillian duschte, verließ das Boxtel und genehmigte sich ein Frühstück in einem kleinen Cafe*. Von dort ging es zu einem hoch aufragenden Gebäude, in dem der von den Asari initiierte Armali-Rat seinen Sitz hatte. Er repräsentierte verschiedene Gilden, die sich der Herstellung und dem Einsetzen der besten biotischen Implantate widmeten, die in der Galaxie zu bekommen waren.
Das Gebäude war Hunderte Fuß hoch und wirkte wie ein Konglomerat aus kristallenen Röhren, die unterschiedlich lang und in der Mitte miteinander verbunden waren.
Im Vergleich zu dem Gebäude fühlte Gillian sich verschwindend klein. Sie nahm all ihren Mut zusammen, stieg eine
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