Dietz, William C. - Mass Effect 4 - Blendwerk
Auch Leng erzählte eine Geschichte über einen Angriff, bei der er „ein paar Echsen“ erwähnte, als ein großer Kroganer aus der Dunkelheit auftauchte. Seine Stimme klang kehlig, und die Wut in seinen bernsteinfarbenen Augen war nicht zu übersehen. „Sag mir, Mensch: Was ist eine ‚Echse’?“
Leng, der alle Nichtmenschen als „Freaks“ bezeichnete und der Meinung war, dass die Allianz ihren eigenen Weg gehen sollte, statt ihre Autonomie den anderen Völkern unterzuordnen, war etwas betrunken. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte, wenn er nüchtern gewesen wäre. „Echsen sind große hässliche Freaks, die sich nicht fortpflanzen können, weil die Turianer sie kastriert haben. Das ist eine gute Sache, weil sie sich wie die Läuse vermehrten. Warum fragst du?“
Der Kroganer schwieg eine Sekunde lang, als könnte er seinen Ohren nicht trauen. Dann brüllte er zornig auf und griff an. Leng war bereit. Er duckte sich unter der riesigen Faust hinweg, die ins Leere zischte, weil Leng zur Seite gesprungen war, und versetzte dem Kroganer mit aller Macht einen Hieb in den Magen. Es war, als hätte er gegen eine Betonwand geschlagen. Wenn man den Unterschied bei der Größe bedachte, war es ein Kampf zwischen der Stärke des Kroganers und der Geschwindigkeit und Beweglichkeit des Menschen. Keiner der Kontrahenten hatte eine Waffe in der Hand, doch der Kroganer verschwendete keine Zeit, ergriff einen Barhocker und hielt ihn wie einen Knüppel in die Höhe.
Das veranlasste Leng dazu, sein zweischneidiges Kommandomesser aus der Scheide zu ziehen, die sich an der Innenseite seines linken Unterarms befand, und nach Lücken in der Deckung seines Gegners zu suchen. Sie umkreisten einander, während ihre Freunde sie anfeuerten und Wetten auf den Ausgang abgeschlossen wurden. „Nur Feiglinge laufen weg“, knurrte der Kroganer. „Bleib stehen und kämpfe.“
Doch so beschwipst Leng auch war, war er doch nicht dumm genug, darauf hereinzufallen. Wenn er sich dem Monster direkt gegenüberstellte, war der Kampf binnen weniger Sekunden entschieden. Solcherlei Gedanken gingen Leng durch den Kopf, als einer der Herumstehenden ihm ein Bein stellte. Wahrscheinlich war es ein Freak oder ein Mensch, der sein Geld auf den Kroganer gesetzt hatte. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte.
Leng ging zu Boden. Im selben Augenblick stürmte der Kroganer vorwärts, den Barhocker noch immer hoch erhoben. Einen Sekundenbruchteil später donnerte der Hocker dort nieder, wo Leng eben noch gelegen hatte, und zerbarst in ein Dutzend Teile. Als der Kroganer sich aufrichten wollte, schlitzte Leng ihm das rechte Bein auf.
Die Fleischwunde war nicht sehr tief, veranlasste den Kroganer jedoch zu einem wütenden Grunzen. Blut trat aus der Wunde aus. Das war der erste Schritt einer Vorgehensweise, die Lengs Ausbilder den „Tod der tausend Schnitte“ nannten. Diese Strategie setzte man ein, um besonders kraftvolle Gegner zu besiegen.
Der Kroganer war nicht dumm. Plötzlich, während Leng um ihn herumtanzte auf der Suche nach einem neuen Angriffspunkt, warf sich die Echse vor und rollte sich über den Boden. Das geschah so schnell, dass Leng die Beine fortgerissen wurden und er abermals zu Boden stürzte.
Der Kroganer wartete einen Moment lang ab und drückte Leng schließlich mit seinen kräftigen Fingern nach unten, bevor er sie um die Kehle des Menschen legte. Während Leng die Luft abgedrückt wurde, benutzte der abermals seine Klinge. Der Stich ging tief, aber der Kroganer war entschlossen und Leng kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, als ein biotischer Schlag die beiden Kämpfenden niederwarf. Kim hatte sich in den Kampf eingeschaltet.
Der Aufprall veranlasste den Kroganer dazu, seine Finger um Lengs Hals zu öffnen, und das war alles, was sein Gegner brauchte. Leng stieß das Messer von hinten tief in den Hals des Kroganers, durchtrennte das Rückenmark und tötete ihn mit einem gezielten Stich ins Herz. Der große Körper zuckte konvulsivisch und erschlaffte schließlich.
Entsetztes Stöhnen und frenetischer Jubel wurden laut, und Lengs Freunde eilten herbei, um die Echse von ihrem Kameraden herunterzuziehen. Sie halfen ihm gerade auf die Beine, als ein Trupp Offiziere der C-Sicherheit in die Bar stürmte. Leng wurde ebenso wie seine Freunde eingesperrt und der Allianz übergeben, die sie einer disziplinarischen Maßnahme unterwerfen sollte.
Zunächst nahm Leng die Sache nicht wirklich ernst. Zwar wusste er,
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