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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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nennen. Und die britische Post hat eine Forschungseinrichtung an einem Ort namens Dollis Hill, nordwestlich von London. Dort werden solche Geräte wie dieses hergestellt.«
    »Die Post?«
    »Ja, sie benutzt solche Maschinen normalerweise in ihren Telefonzentralen. Schau, Ernst – siehst du die Röhren, diese Dinger aus Glas? Wir haben allein in dieser Maschine über zweitausend, und jede davon kann in einer Millionstel Sekunde von einem Zustand in einen anderen wechseln. Diese Umschaltgeschwindigkeit ermöglicht es der Maschine, ihre Berechnungen so schnell durchzuführen.«
    »Und wie sagt man ihr, welche Probleme sie lösen soll?«
    »Ah, gute Frage. Man ›spricht‹ mit diesem Biest in einer physischen Sprache. Man muss Schalter einstellen und Kabel einstöpseln, als würde man ihr Gehirn neu verdrahten. Das sind die am höchsten entwickelten Denkmaschinen der Welt! Mit solchen Geräten wird die Berechnung von Gödel-Trajektorien trivial.«
    »›Trivial‹. Du meinst das im akademischen Sinn, nicht? ›Keine intellektuelle Herausforderung.‹ Aber vielleicht sollte man das Wort auf euer ganzes Unternehmen anwenden, Josef.«

    Fiveash lachte. »Dein schmutziger Fußsoldat von einem Bruder hat ein Gehirn im Kopf, Josef.«
    »Ja, Unterscharführerin Fiveash, ich bin ein schmutziger Infanterist und stolz darauf. Das ist für mich die Realität des Krieges. Schmutz und Geschütze und Blut, Hunger und Tod. Dieses ganze Gerede über uralte Kräfte und Zeitreisen ist doch nur belangloses Geschwätz. Ihr habt schon einmal versagt – dieser Unsinn mit Hastings!«
    »Aber wir werden kein weiteres Mal versagen. Und siehst du denn nicht«, sagte Josef Trojan in ernstem Ton, »dass wir die Geschicke des Krieges mit einem Streich verändern werden, wenn wir Erfolg haben? Denn wir werden unseren stärksten Gegner niederwerfen …«
    »Amerika.«
    »Ja. Wir werden es an den Wurzeln packen! Sollen die Amerikaner ihre Panzer und Schiffe um die Welt schicken; es wird ihnen nichts nützen. Wir haben einen Plan, verstehst du, einen neuen Plan, der etwas mit Christoph Kolumbus und dem Anfang von alledem zu tun hat. Ob du’s glaubst oder nicht, unsere historischen Forschungen sind zeitaufwändiger als die technischen. Aber wir machen Fortschritte. Und dann werden wir sehen, wie es für das Reich läuft – in einer neuen, verwandelten Welt, in der Amerika überhaupt nicht existiert .«
    Ebenso wenig wie das Reich, dachte Ben. Du fantasieloser Dummkopf.
    Die Stimmen verstummten. Vielleicht hatte er laut gesprochen.

    Er öffnete die Augen. Das grelle Licht der Lampen blendete ihn, und er blinzelte Tränen weg. Er sah die drei direkt außerhalb der Glaswand seiner Kammer stehen, zwei schwarze SS-Uniformen, eine Wehrmachtsuniform. Ben versuchte, das Gesicht von Trojans Bruder – Ernst – zu erkennen. Er sah sich selbst mit Ernsts Augen: Sein magerer Körper auf den geglätteten Laken. Die Schellen, mit denen er an den Handgelenken, den Knöcheln und am Hals angekettet war. Die Schläuche, die sich unter seinen gestreiften Gefängnispyjama und in den Adern in Armen und Beinen, in seinen Penis und seinen Mund schlängelten. Die Metallkappe, die mit Schrauben, die man in seinen Schädelknochen gedreht hatte, an seinem Kopf befestigt worden war.
    Josef Trojans Gesicht zeichnete sich wie ein Mond über ihm ab. »Guten Morgen, kleiner Mann. Oder soll ich ›guten Tag‹ sagen? Du weißt es garantiert nicht, stimmt’s? Hast du nichts zu sagen, Ernst? Erstaunlicher Anblick, nicht wahr – ein Triumph der modernen Medizin. Er verlässt seinen kleinen Glasraum nie, außer in der Fantasie natürlich. Er kann nichts tun . Er kann nicht mal mit seinem beschnittenen, katheterisierten Schwanz spielen, der arme Kerl. Er kann nur schlafen – und selbst seinen Schlaf kontrolliere ich, denn mit diesem Schalter hier kann ich ihm nach Belieben Drogen zuführen, siehst du? –, schlafen und die Träume träumen, die ich ihm durch die Lautsprecher um sein Kopfkissen herum aufzwinge. Und während er schläft, lenkt er die Einflüsterungen des Webstuhls
der Geschichte, und so gewinnt er den Krieg für Hitler. Na, was meinst du, Ernst? Selbst du musst beeindruckt sein.«
    »Ich sehe hier nur Grausamkeit. Willkürliche, sinnlose Grausamkeit. Solcher Ehrgeiz und solche Eitelkeit werden uns am Ende zu Fall bringen, Josef.«
    »Wenn du das glaubst, bist du wirklich ein Dummkopf.«
    Aber Ben hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Als die Monate zu

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