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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sehr. Als nur Sie hier waren. Ich weiß, Heinz ist Ihr Freund, aber jetzt, wo er hier ist und die anderen Soldaten in den Städten sind, wissen Sie …«
    Er verstand. Die Truppenbewegungen in Erwartung der Gegeninvasion hatten das Netz aus Verpflichtungen und Kompromissen durcheinandergebracht, das sich zwischen der hiesigen Bevölkerung und den in ihrer Mitte stationierten Soldaten herausgebildet hatte. Er selbst war nach der Sache mit Claudine verärgert darüber gewesen, dass man Heinz einfach so bei ihm einquartiert hatte. Aber Claudine war längst tot, und Heinz litt unter den Blessuren, die er in seinem eigenen Krieg erlitten hatte; es schien keine Rolle mehr zu spielen. »Heinz ist ganz in Ordnung«, sagte er sanft. »Es gibt Schlimmere.« Manche der Männer waren von ihrer Zeit im Osten brutalisiert worden.
    »Ja, da bin ich sicher«, sagte sie. »Tatsächlich leistet er Fred in gewisser Weise Gesellschaft.« Aber ihre Stimme war ausdruckslos, ein Zeichen, dass sie etwas
vor ihm verbarg, wie so oft. Sie scheuchte ihn weg, damit sie das Essen fertig zubereiten konnte.
    Ernst setzte sich zu den Männern und ließ sich widerwillig ein kleines Glas Wodka einschenken.
    Im Fernsehen lief eine Wochenschau; ein Nazi-Grande im langen Ledermantel machte einen Rundgang durch eine Rüstungsfabrik. Er hätte überall in Albion sein können, weil solche Betriebe im ganzen Protektorat wie Pilze aus dem Boden zu schießen schienen.
    »Herr Goebbels«, erklärte Fred. Er sprach den Namen auf ebenso komische Weise aus wie Churchill, »Gobbles«, was jeden Engländer sofort an einen kollernden Truthahn denken ließ. »Schnüffelt in Canterbury rum.«
    »Was für eine Ehre«, sagte Heinz spöttisch. Er hob sein Glas. »Auf den Reichsminister!«
    »Wenigstens ist er hier«, sagte Fred. »Ist verdammt lange her, dass Hitler mal bei uns aufgetaucht ist.«
    »Wir brauchen keinen Goebbels mit seinen Reden und Schlagworten«, knurrte Heinz. »Wir brauchen Panzer, Geschütze, Granaten und Kugeln, wenn wir es mit den Amerikanern aufnehmen wollen.«
    »Ihr habt doch Verstärkung bekommen«, sagte Fred. »Sie sind selber eine verdammte Verstärkung, Mann.«
    Heinz lachte. »Ja, und ich habe noch eine Hand, mit der ich schießen kann. Gott schütze den Führer.«
    Aber Ernst wusste, dass Heinz’ Panzer und Geschütze kaum in absehbarer Zeit eintreffen würden. Trotz des angeblichen Aufmarschs der Alliierten auf
der anderen Seite des Ersten Ziels wurden die Ressourcen des Reichs in zunehmendem Maße für die erstaunlichen Schlachten verwendet, die im Osten ausgetragen wurden.
    Jetzt sah Goebbels gelassen zu, wie eine Reihe von Angehörigen der Hilfstruppen mit verbundenen Augen von einem Erschießungskommando exekutiert wurden. Die Musik schwoll zu einem schrillen Höhepunkt an, als die Körper erzitterten und zu Boden stürzten.
    »Eins sage ich Ihnen«, meinte Heinz. »Ich möchte kein britischer Partisan in den Händen der SS sein. Bis zum Führer hinauf sagen sie, an den Problemen, die wir haben, wäret nur ihr Briten schuld.«
    Fred lachte. »Was, sogar an Stalingrad? Kann sein, dass Onkel Joe und seine T-34-Panzer auch ein bisschen was damit zu tun hatten.«
    »Ja, aber wenn ihr buggers nicht so stur gewesen wärt, wenn ihr Frieden geschlossen hättet wie jeder vernünftige Mensch, wären nicht so viele unserer Männer auf dieser absurden kleinen Insel gebunden.«
    Buggers . Scheißkerle. Ernst unterdrückte ein Lächeln. Heinz hatte eine Menge Englisch von Fred aufgeschnappt. Fred sagte: »Und darum lassen es diese verfluchten SS-Schläger an englischen Kindern aus, während sie sich vor den Russen verstecken wie die Feiglinge, die sie sind.«
    »Sie werden von mir kein Wort zur Verteidigung der SS hören, das ist mal klar.«
    Ernst stand auf, kippte seinen Wodka hinunter und nahm seine Jacke. »Ich sollte wahrscheinlich vor dem
Abendessen noch packen. Der Lastwagen holt mich um Mitternacht ab.«
    »Wo geht’s denn hin?«, fragte Heinz.
    »Ich bin an die Küste von Kent abkommandiert worden. Nach Richborough. Für fünf Tage.«
    Heinz musterte Ernst. »Zieht da wieder dein Bruder die Strippen?« Schon vor seiner Rückkehr aus Stalingrad war Heinz stets ein ungeheuer misstrauischer Soldat gewesen, der überall erwiesene Gefälligkeiten und manipulierte Versetzungen sah. Er stand schwankend auf und torkelte zu Irma am Herd hinüber. »Wo bleibt der verdammte Eintopf, Frau?«
    »Kommt gleich«, sagte Irma emotionslos.
    Als Myrtle

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