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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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anderen zuzuschieben. Wäre ihnen die Invasion schwieriger vorgekommen, hätte es vielleicht noch einen erheblich heftigeren internen Machtkampf gegeben.«
    Mackie nickte, schaute jedoch skeptisch drein. »Wissen Sie, im Grunde bin ich mir gar nicht sicher, ob die Invasion im größeren Zusammenhang des Krieges wirklich eine solche Rolle gespielt hat – bisher jedenfalls. Im Grunde ist der Landkrieg im Westen seit September 1940 zum Stillstand gekommen. Es ist nicht so wichtig, ob Hitlers Truppen auf dieser oder der anderen Seite des Kanals aufgehalten worden sind. Ohne Waffenstillstand hätte er nicht allzu viele Einheiten für die Ostfront abziehen können – ich bezweifle, dass es ihm möglich gewesen, wäre, Barbarossa früher oder mit größerer Wucht zu beginnen. Außerdem besaß er noch die Luftwaffe. Mit der hätte er uns auch ohne Invasion attackieren können. Luftschläge gegen die Großstädte — insbesondere gegen London. Und er hätte die Konvois im Atlantik angreifen können. In mancher Hinsicht hätten wir vielleicht sogar mehr gelitten.«
    »Das stimmt«, beharrte Mary, »aber ohne die Besetzung britischen Bodens wäre die alliierte Westfront
weitaus stärker gewesen. Man hätte beispielsweise keine W-Tag-Gegeninvasion gebraucht, um die Deutschen ins Meer zurückzutreiben, bevor man auch nur daran denken könnte, in Frankreich zu landen.«
    »Mag sein. Und wäre Großbritannien unangetastet geblieben, hätten die Japaner es vielleicht nicht gewagt, in Australien einzufallen …« Er verzog den Mund, eindeutig nicht überzeugt. »Das Problem ist, Mary, nach der ganzen damaligen militärischen Logik war die Invasion zwingend geboten. In jenem Sommer wurden die Deutschen vom Schwung des Blitzkriegs getragen, und wir waren der letzte Bauer, den sie schlagen konnten. Sie hätten es so oder so versucht, denke ich, ob die BEF nun verschont worden wäre oder nicht. Netter Gedanke, Mary, aber die Invasion war unvermeidlich, ganz gleich, was bei Dünkirchen passiert wäre! Aber ich sage Ihnen was: Wenn Sie einverstanden sind, gebe ich das meinen hauseigenen Eierköpfen in Birdoswald weiter. Mal sehen, was die davon halten. In Ordnung?«
    »Na klar. Ich überlasse Ihnen meine Notizen. Und wie sind Sie vorangekommen? Wo wäre Ihr Wendepunkt?«
    »1938«, sagte er, ohne zu zögern.
    Es war schwer, so weit zurückzudenken, sich ins Gedächtnis zu rufen, was vor dem großen Schock des Krieges in der Welt geschehen war. »Das war das Jahr, in dem Großbritannien versucht hat, den Frieden zu bewahren, stimmt’s?«
    »Wir nennen es jetzt Appeasement«, sagte Mackie
mit hartem Gesicht. »Ein gewaltiger Fehler. Wir hätten Hitler den Krieg erklären sollen, als er in die Tschechoslowakei einmarschiert ist und damit alle Garantien aufgekündigt hat, die er bis dahin gegeben hatte.«
    »Aber Großbritannien war noch nicht bereit für den Krieg – oder?«
    »Wir waren in weitaus besserer Verfassung als Hitler. Er hätte keinen Blitzkrieg führen können. Er besaß weder die Panzer noch die Lastwagen. Sein Treibstoff reichte überhaupt nur noch für drei Monate! Und er hatte zum Beispiel Aufträge zum Bau von Schiffen erteilt, mit denen er die Royal Navy ein paar Jahre später besiegt hätte. Aber er konnte nicht warten, er musste schnell handeln. Sein nazistischer Wirtschaftsaufschwung steuerte auf den Zusammenbruch zu, und am Hof gab es unseren Spionen zufolge Intrigen gegen ihn. Deshalb hat er auch niemals haltgemacht – für mich war es keine Überraschung, als sie sich mit Russland angelegt haben. Der Nazismus ist eine bankrotte Ideologie, die nur von unaufhörlicher Ausdehnung und Eroberung aufrechterhalten wird. Im Rückblick haben wir’s vermasselt; wir hätten zuschlagen sollen, als die Machtverhältnisse für uns am günstigsten waren. Indem wir noch ein Jahr abgewartet haben, haben wir Hitler die Chance gegeben, sich bis an die Zähne zu bewaffnen.
    Was die Frage betrifft, was geschehen wäre, wenn wir damals wirklich in den Krieg gezogen wären, so gibt es viele Unsicherheitsfaktoren. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass die Franzosen sich weit
über die Maginot-Linie hinaus vorgewagt hätten. Schlimmstenfalls wär’s vielleicht ein Krieg wie am Ende des letzten Krieges gewesen, ein Haufen Infanteriemanöver. Und im besten Fall hätte alles bis Weihnachten vorbei sein können, und das wär’s dann für Hitler und seine Leute gewesen. Es wäre auf jeden Fall nicht zu dem katastrophalen

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