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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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nichts mit unseren Nazis und ihrem Webstuhl zu tun haben, womit dann? Wer baut noch eine Zeitmaschine – die Japsen?«
    »Ich glaube, es ist noch seltsamer«, sagte sie vorsichtig. »Soweit ich sehe, gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens, dass diese Eingriffe aus unserer eigenen Zukunft kommen. Fortgeschrittenere Technologien. Oder zweitens …«
    »Ja?«
    »Dass sie aus anderen Geschichtslinien kommen, die durch die Veränderungen in der Vergangenheit – hm – ausgelöscht worden sind. Geoffrey scheint anzudeuten, dass dieser al-Hafredi aus einem muslimischen Reich stammte, das sich bis zum Hadrianswall erstreckte.«
    »Das es in unserer Welt aber nie gegeben hat.«
    »Nein. Seine eigene Geschichtslinie verschwand, als er in der Zeit zurückging und die Ausweitung des muslimischen Herrschaftsgebiets nach Frankreich verhinderte. Dadurch war er dort gestrandet, denke ich. Das letzte Überbleibsel einer Wirklichkeit, die in dem Moment, als er seine Zeitreise antrat, getilgt wurde und in die Nichtexistenz zurückfiel.« Sie sagte das alles mit eindringlicher Stimme, in der Hoffnung,
dass Tom Mackie den Gedanken für ebenso furchteinflößend halten würde wie sie selbst.
    »Mein lieber Herr Gesangsverein.« Er stand auf und wanderte im hohen Gras umher. In der rechten Hand hielt er die Pfeife, mit der linken klopfte er an sein uniformiertes Bein. »Hin und wieder – solch merkwürdige Dinge – sprich zu mir, o Geist von Mr. Wells!« Aber es klang eher erregt als entsetzt. »Na schön. Dann glauben Sie also, dass wir uns mit Geoffreys restlichen vier Fällen befassen sollten .«
    »Ich denke schon.« Sie sprach von der Prophezeihung des Nectovelin, offenbar das Ergebnis einer Manipulation Rory O’Malleys, der vor dem Krieg einen Prototyp des Webstuhls in Princeton benutzt hatte. Und vom Menologium der Isolde, das von den Nazis in Richborough in die Vergangenheit geschickt worden war – und in das Ben Kamen heimlich und in verschlüsselter Form seinen Namen eingebaut hatte.
    Mackie setzte sich wieder. »Über die wissen wir Bescheid. Und Geoffreys zwei verbliebene Fälle wären dann also …« Er blickte mit zusammengekniffenen Augen auf ihr Dokument. »›Der Kodex von Aethelmaer‹. ›Das Testament der Eadgyth‹. Ah. Und ich sehe, dass Geoffrey beide mit dem Schicksal von Christoph Kolumbus verbindet.«
    »So ist es. Kolumbus war eine wichtige historische Figur, aber das Faszinierende ist, dass Geoffrey unmöglich wissen konnte, wie wichtig Kolumbus werden würde – er schrieb seinen Bericht in dem Jahr nieder, in dem Kolumbus in See stach.«

    »Hm. Und der Zweck dieser Ablenkungsmanöver?«
    »Da kann ich bloß spekulieren«, sagte sie vorsichtig.
    Er lächelte. »Nur zu.«
    »Ich glaube, die Nazis sind von all diesen bizarren Arierträumen abgekommen – dem Versuch, Hastings rückgängig zu machen, der Errichtung eines nordischen Reichs tief in der Vergangenheit. Für all das hat ihnen der Krieg zu sehr zugesetzt. Also, was ist momentan das Hauptproblem der Deutschen? Amerika, mit all seinen Ressorcen und seiner Macht. Ich glaube, Trojan und Fiveash versuchen, an der Gründung des modernen Amerika herumzumanipulieren – sie gänzlich zu verhindern oder die Geschichte zumindest in solchem Maße zu verändern, dass kein eigenständiges Gebilde wie die modernen Vereinigten Staaten herauskommen kann. Und dazu setzen sie bei Kolumbus an.« Sie beschrieb Aethelmaers Kodex. »Im Grunde ist das ein Waffenbauprogramm«, sagte sie.
    »Eine waschechte Nazi-Idee!«
    »Offenbar wollen sie schon Jahrhunderte vor Kolumbus Keime anachronistisch fortgeschrittener Waffentechniken pflanzen – damit sie genug Zeit haben, zur Reife zu gelangen.«
    »So dass Kolumbus die ausgereiften Waffen dann in die Hände bekommt, ja? Aber wer wüsste nach Jahrhunderten der Entwicklung, wozu sie gedacht sind?«
    »Hier kommt das Testament der Eadgyth ins Spiel. Die zweite Kolumbus-Prophezeiung. Leider hat sie nur in Fragmenten überdauert.« Sie zeigte ihm einige Textstellen. Das angeblich einer Christin aus dem elften
Jahrhundert eingeflüsterte »Testament« war eine Art Gedicht in Altenglisch. »Darin ist von Kolumbus die Rede, glaube ich, wenn auch nur in Form kryptischer Andeutungen.«
    »So kryptisch nun auch wieder nicht. ›Der Christusträger‹  – Christoph. ›Der Täuberich‹ – Kolumbus.«
    »Für Kolumbus’ Zeitgenossen war das vielleicht nicht so offensichtlich, und schon gar nicht für jemanden im elften

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