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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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war in diesen letzten Stunden ziemlich beschäftigt.«
    »Womit? Diese kleine Engländerin zu vögeln?«
    Er lachte. »Nein. Mit Planungen. Vorbereitungen. Du kannst dir ja vorstellen, wie viele Details bei einer solchen Operation berücksichtigt werden müssen. Der endgültige Einsatzbefehl des Führers ist in der Planung aufgegliedert worden, bis wir uns jeden Schritt jedes Soldaten an jedem Strand vergegenwärtigt hatten. Und was Julia betrifft: Mach dich nicht über sie lustig. Sie und der Rest ihrer Legion des heiligen Georg werden
zusammen mit mir in der zweiten Welle übersetzen. Ich habe das Gefühl, dass Julia Fiveash uns in den kommenden Tagen der Okkupation sehr nützlich sein wird.«
    »Sie ist so verrückt wie ein tollwütiges Hermelin.«
    »Du bist viel zu zynisch, Ernst. Also, ich habe dich gesucht, weil Mutter sicher gern wüsste, dass wir uns zumindest die Hand geschüttelt haben, bevor wir nach England aufgebrochen sind.«
    Ernst war gerührt. »Ja, das stimmt. Danke, dass du mich gesucht und gefunden hast.«
    »Was nicht gerade leicht war in diesem Haufen. Jetzt hör mir zu, Gefreiter Ernst. Du bist lediglich mit den Details beschäftigt und wirst nur ein Steinchen auf diesen Kiesstränden sein. Aber du musst das größere Ganze sehen. Der Führer ist zu dem Schluss gelangt, dass Churchill niemals Vernunft annehmen wird und England darum ausgeschaltet werden muss – und dass unsere Kräfte gerade eben ausreichen, um die Operation Seelöwe erfolgreich durchzuführen. Und darum hat er kraft seiner Persönlichkeit seine großen Generäle für dieses Projekt an einen Tisch gebracht. Sogar Göring ist mit von der Partie!« Er wedelte mit einer Hand. »Und jetzt sind wir so weit; das siehst du ja. Göring hat die RAF gerade eben in ausreichendem Maße zurückgeschlagen. Die Kriegsmarine kann den Kanal mit ihren Minensperren und ihren entwendeten französischen Schiffen gerade eben in ausreichendem Maße für die Überfahrt freihalten. Selbst das Wetter benimmt sich – gerade so eben! Und darum hat der
Führer uns befohlen, die Operation zu starten. Binnen sechs Wochen werden wir eine halbe Million Männer in England haben, das von Dünkirchen geschwächte britische Heer wird in alle Winde zerstreut sein, und Churchill wird um Frieden bitten, sofern er nicht abgesetzt oder erschossen worden ist.«
    »Sechs Wochen?«, sagte Ernst. »Die Männer meinen, dass den Panzern binnen drei Tagen das Benzin ausgeht.«
    Josef schnaubte. »Ich glaube, auch in England gibt es Benzin.« Er packte seinen Bruder an der Schulter. »Hör mir zu. Wir treffen uns morgen oder übermorgen, wir beide, Brüder auf englischer Erde. Ja?«
    Der Obergefreite stieß Ernst an. »Hey, Trojan. Lächle mal für die Kamera.«
    Ein Lastwagen fuhr an der Hafenmauer entlang. Auf der Ladefläche stand ein Kamerateam, und eine Frau gab mit lauter Stimme Regieanweisungen. Es war Leni Riefenstahl, die den Nazis aus Nürnberg nach Polen und nun zum Rand des Meeres gefolgt war. Die Männer winkten und riefen fröhliche Obszönitäten.
    Weitere Flugzeuge donnerten über sie hinweg, in Schichten, die sich hoch in die Luft türmten. Es waren so viele, dass sie den grauen Nachmittagshimmel schwarz färbten.

XI
    Nachdem der Luftangriff einmal begonnen hatte, schien er kein Ende mehr nehmen zu wollen. Die Flugzeuge brummten über den Himmel, und der kleine Schutzraum erbebte und klapperte, als die Bomben in die ohnehin schon in Trümmern liegende Stadt einschlugen. Mary nahm an, dass die gesamte Südküste bombardiert wurde, eine letzte Zermürbungsaktion vor der Landung der Invasionstruppen.
    Seltsamerweise hatte sie keine Angst. Sie hatte schon zu viele Luftangriffe überstanden.
    Nachdem die anderen in aller Eile aufgebrochen waren, um ihre Posten zu beziehen, hatte Mary einen Mantel angezogen, ihre Tasche und ihre Gasmaske genommen und war in George Tanners Anderson-Schutzraum hinuntergangen. Sie hatte es gerade noch geschafft, bevor die ersten Flugzeuge am Himmel erschienen. George hatte den Schutzraum in ein gemütliches kleines Zimmer verwandelt. Er hatte Wände und Decken weiß gestrichen, sie mit Segeltuch verkleidet, um die Schwitzwasserbildung zu verhindern, und ihn mit Decken, Liegestühlen und einem Radio ausgestattet. Es gab sogar einen Campingkocher, mit dem man sich eine Tasse Tee machen konnte. Aber aus dem
Radio kam nur atmosphärisches Rauschen. Vielleicht hatten die deutschen Flugzeuge die Sendetürme ausgeschaltet und die BBC

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