Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
damit zum Schweigen gebracht.
    Sie war ein paar Mal ins Haus zurückgekehrt und hatte versucht, sich die erforderlichen Vorkehrungen ins Gedächtnis zu rufen. Sie hatte das Licht ausgeschaltet, das Gas abgestellt und Waschbecken und Badewanne mit Wasser gefüllt, falls das Versorgungsnetz ausfiel. Sie holte ihre Aktentasche mit den Rechercheergebnissen und packte einen kleinen Rucksack mit Kleidung und Toilettenartikeln. Aber dann hieß es, in den Schutzraum zurückzukehren. Sie kam sich nutzlos vor, wenn sie hier unten festsaß und keinen Beitrag leisten konnte.
    Es gab sicherere Plätze als diesen. Der beste Schutzraum in Hastings war ein Höhlensystem namens St. Clement’s, das für ein paar hundert Personen eingerichtet war. Und noch sicherer wäre es, ganz aus der Stadt zu verschwinden und ins Landesinnere zu fahren, wo sie sowohl den heutigen Bomben als vermutlich auch den Sturmtruppen entgehen konnte, die morgen wahrscheinlich hier landen würden.
    Aber Mary wollte das Haus nicht verlassen. An diesem Ort waren sie alle das letzte Mal zusammen gewesen, sie und ihr Sohn, seine neue Ehefrau und deren Vater und sogar der arme, nette Ben. Sie wünschte, sie hätte daran gedacht, für eine Möglichkeit zu sorgen, wie sie miteinander Verbindung aufnehmen könnten.
    Ihr kam der Gedanke, dass der Anderson-Schutzraum vielleicht erhalten bleiben würde, selbst wenn das
Haus, wie es in diesem Moment sehr wahrscheinlich war, von einer Bombe dem Erdboden gleichgemacht wurde. Also hier. Sie durchwühlte ihre Handtasche nach ihrem Lippenstift. Es war eine amerikanische Marke, und sie benutzte ihn sparsam; Kosmetika gehörten zu den Dingen, an denen hierzulande hoffnungsloser Mangel herrschte. Sie machte zur Probe ein Zeichen an die weiß gestrichene Wand. Der Lippenstift war leuchtend rot; man konnte ihn nicht übersehen, und es war unwahrscheinlich, dass er hier im Schutzraum abgewaschen oder weggewischt wurde.
    Aber welchen Treffpunkt sollte sie angeben? Keinen in Hastings; hier würde es von Deutschen nur so wimmeln, wenn sie erst einmal gelandet waren. Irgendwo in der Nähe, an einem denkwürdigen Ort. Sie hob ihren Lippenstift und schrieb deutlich:
     
    TREFFEN UNS IN BATTLE. MW 20.9.40
     
    Just als sie den Lippenstift wieder in ihre Tasche steckte, fiel die große Bombe.

XII
    Ben und Hilda waren mit Marys gemietetem Austin Seven losgefahren. Hilda musste zu ihrer Radarstation und Ben zu seiner Home-Guard-Einheit in Pevensey.
    Mit Hilda am Lenkrad rasten sie die Küstenstraße entlang nach Westen, durch Bexhill und dann weiter. Sie fuhren an den langen, befestigten Stränden mit ihren riesigen Stacheldrahtrollen und überalterten Navy-Geschützen vorbei. Es herrschte starker Verkehr, weil die Männer der Home Guard und der Army-Einsatztruppen so schnell wie möglich zu ihren Bunkern und MG-Nestern wollten und WAAFs und Wrens zu ihren Geschützstellungen eilten. Aber die Straße war auch von Zivilisten verstopft, die aus den Städten flüchteten. Es gab ein paar Autos und von Pferden und Eseln gezogene Karren inmitten von Schlangen von Fußgängern, die Kinderwagen und Schubkarren voller Gepäck und Möbelstücke schoben. All dies kam den Militärfahrzeugen und Krankenwagen in die Quere, die verzweifelt durchzukommen versuchten.
    Über ihnen wurde ein Luftgefecht ausgetragen; Messerschmitts, Spitfires und Hurricanes fielen übereinander her, um die deutschen Bombergeschwader aufzuhalten
oder zu schützen. Niemand blickte nach oben, um es sich anzuschauen.
    Grunzend und fluchend arbeitete Hilda sich mit dem Wagen durch den dichten Verkehr. Ben sah den Ring an ihrem Finger, den Ring ihrer Mutter, der ihr ein bisschen zu groß war; Hilda schien ihn vor lauter Konzentration völlig vergessen zu haben.
    »Also, nach Pevensey«, sagte sie. »Dann kommen wir zuerst an meiner Radarstation vorbei.«
    »Von dort aus kann ich weiterfahren. Ich bin zwar ein lausiger Fahrer, aber ich kenne den Weg.«
    »Das ist ein Beobachtungsposten, ja?«
    »Und eine Abwehrstellung und ein Hauptquartier … Da sind ein Haufen Kanadier. Sie haben die alte Burg befestigt. Wundert mich, dass deine Radarstation noch in Betrieb ist.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Spielt wohl keine Rolle, wenn ich’s dir jetzt sage. Die RAF zieht sich zurück; sie zieht die Jäger von den vordersten Stützpunkten ab und wird von nun an tiefer aus dem Landesinneren operieren. Vor Sonnenuntergang müssen wir meine Station außer Dienst stellen. Und die Ausrüstung

Weitere Kostenlose Bücher