Diktator
zerstören, wenn wir sie nicht aus der bedrohten Zone schaffen können. Ah, da wären wir.«
Sie bog so abrupt von der Straße ab, dass Ben zur Seite geworfen wurde.
Von ihnen lag eine unansehnliche Station hinter einem Stacheldrahtzaun. Ben sah sieben oder acht etwa einhundert Meter hohe Masten und klobige Gebäude.
Die Station war bereits beschädigt, wie er bemerkte; ein Teil des Zauns war umgeknickt.
»Hier ist es. Viel Glück.« Hilda ließ den Motor laufen, beugte sich zu ihm herüber, gab ihm einen Kuss auf die Wange und sprang aus dem Wagen. Dann war sie fort, und Ben sah sie im Laufschritt zu ihrer Station eilen.
»Dir auch«, sagte er leise. Er rutschte auf den Fahrersitz und nahm sich eine halbe Minute Zeit, um sich mit den seltsamen Bedienungselementen dieses englischen Wagens vertraut zu machen. Dann wendete er mit quietschenden Reifen, fädelte sich wieder in den Verkehrsstrom ein und fuhr nach Westen, Richtung Pevensey.
XIII
Ein Schwall heißer Luft fegte über Mary hinweg, und der Druck presste ihr die Brust zusammen. Der ganze Schutzraum hob sich und erbebte, und ein paar Sachen, das Radio und die Blechtassen, fielen klappernd von ihren Borden. Das Dach des Schutzraums schepperte, als würden mehrere Handvoll Kies darauf geworfen.
Aber die Geräusche waren gedämpft. Sie fasste sich an die Ohren, um festzustellen, ob sie von Schmutz oder Staub verstopft waren, aber sie waren frei. Sie hörte kaum etwas außer einem lauten Dröhnen.
Das brachte sie zu einer Entscheidung. Was immer als Nächstes kam, sie konnte nicht einfach hier sitzen bleiben und darauf warten, dass sie ausgebombt wurde. Sie hatte ihre Handtasche mit ihren Papieren und ihrem ganzen Bargeld, ihre Gasmaske, ihren Rucksack, ihre Aktentasche. Sie schaute sich in dem Schutzraum um, nahm den Campingkocher und stellte ihn vorsichtig auf den Boden.
Dann kletterte sie die kleine Leiter hinauf und kam in Georges Garten heraus. Das Erdreich und Georges Kartoffeln und Möhren waren von Schutt – Ziegelsplittern, Holzlatten, Schieferplatten – und einer
Staubschicht bedeckt. Die Luft war heiß, und es roch nach Staub und Abwasser. Sie hörte noch immer nicht viel. Die Flugzeuge, die über sie hinwegfluteten, klangen dumpf und fern.
Sie durchquerte das Haus und trat auf die Straße hinaus. Sorgfältig verschloss sie Georges Haustür hinter sich.
Mary ging die Straße entlang, zum Wasser hinunter. Sie befand sich in der Altstadt von Hastings, einem Gewirr von Straßen, die in ein Tal zwischen zwei steilen, dicht bebauten Sandsteinhügeln gezwängt worden waren, mit langen Häuserreihen, die sich über Jahrhunderte hinweg angesammelt hatten. Heute herrschte hier Chaos; Ziegelsteine und Glasscherben überall auf der Straße, rennende Menschen, fernes Geschrei.
Sie stellte fest, dass die Bombe genau auf ein großes Eckhaus an der High Street gefallen war. Mary blieb einfach stehen und starrte es an. Im Boden gähnte ein tiefer Krater, und zerfetzte Rohre und Kabel standen hervor wie gebrochene Knochen. Das Haus selbst war aufgeschnitten worden, und das Innere einiger Zimmer lag frei, so dass es wie ein riesiges Puppenhaus aussah. In einem der oberen Stockwerke baumelte ein großes Eisenbett gefährlich über der Kante. Ein ungewöhnlicher, widerwärtiger Gestank stieg ihr in die Nase; es roch nach Staub, Asche, verbranntem Fleisch und Abwasser.
Überall in dem zerstörten Haus wuselten Menschen herum. Draußen wurde ein Gerätewagen der Feuerwehr herbeigezogen, und Feuerwehrmänner rangen
mit einem Schlauch und bespritzten die unteren Stockwerke mit Wasser. Männer eines Rettungstrupps bahnten sich ihren Weg durch Ziegelsteinhaufen, um zu den Räumen im hinteren Teil des Hauses zu gelangen. Einige arbeiteten mit bloßen Händen, und andere mühten sich ab, Träger und Flaschenzüge anzubringen, um schwerere Balken und Mauerplatten hochzuheben. Sie waren bereits schmutzig und schweißgebadet.
Und Menschen wurden aus dem Gebäude gebracht. Einige konnten noch laufen, andere nicht. Teams von Krankenträgern schleppten ihre reglosen Lasten, manchmal nur auf schlichten Brettern. Die Opfer wurden in eilig bereitgestellten Erste-Hilfe-Stationen behandelt und mit Etiketten gekennzeichnet, ein Code, den Mary dank ihrer Erfahrungen bei solchen Luftangriffen mittlerweile kannte: X für innere Verletzungen, T, wo ein Tourniquet angelegt worden war. Zwei freundliche Damen vom WVS schenkten in ihren flaschengrünen Uniformen und Filzhüten den
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