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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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unvermeidlichen Tee aus, die Belohnung für jeden »Ausgebombten«. Andere hatten jedoch weniger Glück gehabt. Mary sah eine Reihe von Körpern, die nebeneinander auf dem Boden lagen wie Fische auf einer Steinplatte. Eine ARP-Wartin überprüfte Namen auf einer Liste und suchte die Körper nach Ausweisen, Ringen und anderen Mitteln der Identifikation ab.
    Jemand berührte sie an der Schulter.
    Es war George. Sein Gesicht war von Schweiß, Staub und Schmutz verklebt, und seine dunkle Uniform war blutbeschmiert. Er sagte etwas zu ihr.

    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann Sie nicht hören.« Sie tippte sich an die Ohren.
    Er beugte sich näher zu ihr und rief: »Ich habe gesagt: Was machen Sie hier? Ich dachte, Sie wären im Schutzraum.«
    »Da konnte ich nicht bleiben.«
    »Wenn Sie nicht in einen Schutzraum wollen, verschwinden Sie aus der Stadt.«
    »Ich kann nicht weg, George. Nicht unter diesen Umständen.«
    »Es ist nicht Ihr Kampf.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber der von Gary. Hören Sie, ich werde diesen WVS-Frauen helfen. Tee ausschenken kann ich auch.«
    Er musterte sie, dann trat er zurück. »In Ordnung. Ihre Beerdigung.« Er schaute kurz zum Himmel hinauf. »Wie spät ist es? Es wird schon dunkel. Ich glaube nicht, dass diese Atempause die ganze Nacht anhält …«
    Ein neues Krachen ließ den Boden erzittern. Sie taumelten beide, und ein weiteres Stück des zerstörten Gebäudes stürzte ein.
    George lief davon, zur Stätte der neuesten Katastrophe, und blies dabei in eine Pfeife. Mary fiel ein, dass sie die Gelegenheit hätte nutzen sollen, ihm von Battle zu erzählen. Aber es war schon zu spät.
    Entschlossen ging sie auf das WVS-Team zu.

XIV
    20.-21. September
    Am 20. September, dem S-Tag minus eins, lief die Transportflotte D um 18 Uhr in Boulogne aus. Sie war eine von vier Flotten, die an diesem Tag in See stachen und die Heeresgruppe A, die Neunte und die Sechzehnte Armee, über den Kanal trugen. Von Westen nach Osten sollte Flotte E von Le Havre, D von Boulogne, C von Calais und B von Dünkirchen, Ostende und Rotterdam starten. Flotte A, ein Hirngespinst der Wehrmachtsplanung, hatte immer nur auf dem Papier existiert. Es war der Beginn einer ausgeklügelten Schiffschoreografie mit dem Ziel, neun Divisionen  – zweihunderttausend Mann – binnen drei Tagen an den Stränden Südenglands zu landen.
    Ernsts Lastkahn gehörte zu einer Vierergruppe, die von einem Schlepper aus dem Hafen gezogen wurde. Die Männer hielten sich an den verstärkten Bordwänden fest; sie waren schon nervös, noch bevor sie die Hafeneinfahrt passierten.
    Der Lärm war enorm. Die riesigen Geschütze in Boulogne brüllten seit Stunden, gewaltige 30,5-Zentimeter-Kanonen, welche die englischen Abwehrstellungen über den Kanal hinweg bombardierten, noch bevor
ein einziger Deutscher gelandet war, und als Ernst aufblickte, sah er am Himmel einen Schleier von Granaten über sich hinwegsausen.
    Der Lastkahn selbst war stark modifiziert worden; man hatte den Boden mit Beton ausgegossen, den Rumpf mit Stahlplatten verstärkt und den spitzen Bug durch Schwingtore und eine herunterklappbare Rampe am vorderen Ende ersetzt, damit sie an Land gehen konnten. Das Ruderhaus war verkleinert worden und wurde durch Sandsäcke geschützt. Eigentlich sollte dieser Kahn Getreide auf einem Fluss transportieren. Jetzt würde er siebzig Männer und vier Lastwagen über einen Ozean tragen. Der Kahn lag tief im Wasser, und bei jeder Welle spritzte Salzwasser über die Dollborde und durchnässte die darin kauernden Männer. Die Schwarzseher erklärten düster, dass die Wellen im Kanal sechs Meter hoch werden konnten. Jeden Tag seiner Ausbildung hatte Ernst über den Kontrast zwischen der eleganten Perfektion seiner Ausrüstung als Soldat des Heeres und den klapprigen Transportmitteln gestaunt, die ihn und seine Sachen über den Kanal tragen würden. Der Bootsführer, ein Binnenschiffer, lachte über das Unbehagen der Männer.
    Schließlich reihte sich der Kahn in seine Kolonne ein. Ernst hielt sich an der Bordwand fest und starrte hinaus. Im schwindenden Licht dieses Septembertages war es ein erstaunlicher Anblick, über ein Meer zu fahren, das mit einem Teppich aus Kähnen und Männern bedeckt war, so weit das Auge reichte. Ernsts Kahn war einer von zweihundert allein in dieser Kolonne,
die von Schleppern und Dampfern gezogen wurden, mit einer Eskorte schwererer, mit Vorräten beladener Schiffe.
    Während die Kähne die Sturmtruppen

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