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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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transportierten, fuhr der Stoßkeil – jene vorgeschobenen Abteilungen, die als Erste landen würden, oder das »vom Himmel gesandte Kommando«, wie die Männer es nannten – mit Minenräumern hinüber. Sie würden mit Schnell- und Sturmbooten landen, flinken, kleinen, ungepanzerten Booten, die für Flussüberquerungen konstruiert waren. Für sie würde es eine Landung im Morgengrauen werden, eine amphibische Operation, zweitausend Mann pro Strand.
    Flotte D als Ganzes würde eine fast zwei Kilometer breite und rund zwanzig Kilometer lange Kolonne bilden  – so lang, dass die Kähne an der Spitze den Kanal schon halb überquert haben würden, bevor die letzten Boote den Hafen verließen. Aber die Kähne konnten höchstens drei oder vier Knoten laufen, und alle Kolonnen mussten einen gewundenen Kurs einschlagen, um Sandbänken und Minen auszuweichen. Die Überfahrt würde lange Stunden dauern.
    Und noch während die Kolonne aus dem Hafen auslief, begannen die Angriffe. Über Ernsts Kopf lieferten sich Messerschmitt 109 Luftgefechte mit Hurricanes, Spitfires und leichten Bombern. Josef zufolge hatte Göring nicht nur versucht, die Flugzeuge und Flugplätze der RAF zu zerstören, sondern auch, ihre Kommandosysteme zu unterbrechen; womöglich konzentrierte die geschwächte RAF ihre Bemühungen dort, wo sie
den meisten Schaden anrichten zu können glaubte. Für Ernst war das kein beruhigender Gedanke.
    Sie hatten den Hafen noch nicht lange hinter sich gelassen, als eine Spitfire durchkam und aus allen Rohren feuernd im Tiefflug über Ernsts Kolonne hinwegflog. Ernst und die anderen duckten sich in dem Kahn, und die Kugeln prallten von den Stahlplatten des Rumpfs ab, ohne Schaden anzurichten. Die Maschine schoss über sie hinweg, und als sie hochzog, sah Ernst, wie sich die Metallhaut ihrer Tragflächen unter der Belastung kräuselte.
    Am meisten fürchtete Ernst jedoch nicht die RAF, als der Abend in die Nacht überging, sondern die Royal Navy.
    Vor dem Aufbruch der Lastkähne hatten die Minenleger im Schutz von Zerstörern und Torpedobooten tagelang einen befestigten Korridor über den Kanal geschaffen, der von jeweils über einen halben Kilometer breiten Minenfeldern eingefasst wurde, und dennoch mussten die U-Boote, Zerstörer und Torpedoboote, verstärkt durch Schiffe, die den Franzosen in Algerien abgenommen worden waren, auch jetzt noch verzweifelt kämpfen, um die Übermacht der Navy abzuwehren. Manchmal glaubte Ernst, die dröhnenden Stimmen dieser anderen, weit entfernten Schlacht zu hören, einer Schlacht auf dem Meer, so wie auch eine in der Luft tobte. Doch Ernsts Kahn fuhr ungestört weiter.
    Die Nacht schloss sich unmerklich langsam über ihnen, bis eine Wolkendecke auch noch die Sterne
und den Mond verbarg. Einige der Männer waren seekrank, obwohl nur geringfügiger Seegang herrschte. Der Binnenschiffer, der einzige echte Seemann auf dem Boot, ein vierzigjähriger Flussschiffer aus Köln mit einem Ledergesicht, brachte ihnen nicht das geringste Mitgefühl entgegen. Hin und wieder hörte man zwischen den Kähnen der Schleppergruppe ein paar scherzhafte Worte übers Wasser driften, und aus dem Dunkeln kam leises Gelächter. Einige Männer kauerten sich zusammen und versuchten zu schlafen. Von einem Boot erklangen leise Gebete. Die Nazis blickten zwar auf die Religion herab, aber Ernst bezweifelte, dass jemand das heute Nacht unterbinden würde. So überquerte man den Ozean im Dunklen, in Blasen der Kameradschaft, nur man selbst und seine Kumpels draußen auf dem Meer. Ernst fragte sich, ob Williams Normannen und Claudius’ abergläubische Römer weitere tausend Jahre früher dasselbe empfunden hatten. Aber diese alten Krieger hatten ihre Reise nicht durch einen in der Luft und zur See heiß umkämpften Korridor unternehmen müssen.
    Später in der Nacht vereinigten sich Einheiten der westlichsten Flotte E wie geplant mit D. Und unter den Männern auf den Kähnen verbreiteten sich Gerüchte über die wahren Vorgänge.
    An den Rändern der Invasion durchbrach die Royal Navy die schwache Abwehr der Kriegsmarine. Obwohl die Engländer aus Furcht vor Luftangriffen keine Großkampfschiffe einsetzten, keine Kreuzer oder Schlachtschiffe, waren ihre leichten Kampfschiffe
von Harwich, Dover, Portsmouth und Portland aufgebrochen. Ihre kleinen Motor-Torpedoboote, die den Torpedobooten der Deutschen ähnelten, waren als Erste über die Flotte E hergefallen, und später hatten sich auch noch die englischen

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