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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Komponenten des Geräts herabsausen. »So, das wäre erledigt. Kommen Sie, Mary, suchen wir Ihnen diese Salbe.«

XIX
    Leutnant Strohmeyer hatte eine Landkarte. Er breitete sie auf dem taufeuchten Boden von Pevensey aus. Strohmeyer war ein harter, humorloser Soldat, der überall in Europa, von Polen bis Frankreich, in den Armeen des Reichs gedient hatte. Und nun saß er vor einem Lagerfeuer in den Ruinen dieser uralten Festung in England. Wenn einer der Männer sich eine Bemerkung darüber erlaubte, sagte Strohmeyer nur: »Komische alte Welt, was? Jetzt haltet die Klappe und hört zu.« Er begann, für die Einheiten der Sechsundzwanzigsten Division die Ziele des Tages, S-Tag plus eins, zu skizzieren.
    Es war ein weiterer scheußlicher, verregneter Morgen. In seine Decke gehüllt, drückte Ernst das Gewehr an sich, das er seit Tagesanbruch gereinigt hatte, und versuchte, sich auf Strohmeyers Worte zu konzentrieren.
    Er hätte nie geglaubt, dass er in seiner Ecke dieser tristen alten Festung, nur mit einer Plane zugedeckt, so gut schlafen würde. Der gestrige Tag der Überfahrt war ein intensiver, unwirklicher Tag gewesen; er konnte sich nicht vorstellen, dass er je wieder einen solchen Tag erleben würde, ganz gleich, wie lang dieser Krieg für ihn
dauerte. Vermutlich hatte ihn die nackte Anspannung durch alles hindurchgetragen. An diesem Morgen war er jedoch erwacht und hatte festgestellt, dass er noch da war , er war wirklich in England, und jetzt musste er den ersten von voraussichtlich vielen Kampftagen überstehen. Er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft, und er fröstelte sogar; er war ohne jegliche Energie erwacht. Selbst die Männer um ihn herum waren Fremde; im Durcheinander der Landung war er von den Kameraden getrennt worden, mit denen er in Frankreich trainiert hatte, und hier kannte er niemanden.
    Seine Gedanken wanderten immer wieder zu Claudine. Er sehnte sich danach, in ihrer Wohnung in Boulogne bei ihr zu liegen, ihre langen Gliedmaßen neben ihm im Bett, auf dass sie die Schmerzen in seinem Körper und die Schockwirkungen in seiner lädierten Seele vertreiben konnte.
    Der Mann neben ihm flüsterte: »Was sagt er? Ich kann die verflixte Karte nicht sehen.«
    Ein anderer antwortete leise: »Marschieren. Das ist alles, was ihr wissen müsst, Jungs. Wenn die Panzer in ein, zwei Tagen rüberkommen, werden die hier durch die Gegend brausen. Aber bis dahin sind nur wir da, und das heißt latschen. Am besten, man weiß nicht, wie weit.«
    Also standen sie auf und begannen, sich zu formieren.
    Woanders in der Festung wurden Ben Kamen und ein paar weitere Gefangene vom Beobachtungsposten in Pevensey durch raue deutsche Rufe unsanft geweckt.
    Sie erhoben sich steif. Man gab ihnen Becher mit Wasser zu trinken und befahl ihnen auf Deutsch, ihre Notdurft, wenn nötig, in der Ecke des Raumes zu verrichten. Ben, der nicht hervorstechen wollte, gab vor, kein Deutsch zu verstehen – seine kleine Frechheit gestern hatte ihm Prügel eingetragen –, und benahm sich so begriffsstutzig, schwerfällig und verwirrt wie die anderen. Das fiel ihm auch nicht weiter schwer, weil sein Kopf noch von dem Schlag schmerzte, den er gestern eingesteckt hatte.
    In der vergangenen Nacht hatten sie nichts bekommen. Nichts zu essen, kein Wasser, auch keine Decken. Ben hatte in seinen Kleidern auf dem kalten Steinboden eines der umfunktionierten Räume geschlafen. Die ganze Nacht hindurch hatte er bruchstückhafte Träume gehabt, flüchtige Eindrücke aus der Vergangenheit und der Zukunft, wie sie Rory und Julia damals in Princeton so fasziniert hatten. Aber keiner von ihnen ergab irgendeinen Sinn, keiner spendete auch nur den geringsten Trost.
    Ein Gefangener, ein stämmiger Kanadier, trank einen Schluck Wasser und spuckte es aus. »Pferdepisse«, brüllte er den deutschen Unteroffizier an, der es gebracht hatte. Der Unteroffizier antwortete sehr höflich, in ruhigem Deutsch, und erklärte, die Rechte des Mannes würden gewahrt, sobald die deutsche Wehrmacht die erforderlichen Mittel habe; bis dahin führe er am besten, wenn er sich anständig benähme.
    Soweit Ben sehen konnte, waren diese Elite-Kampftruppen ziemlich zivilisiert mit ihren Gefangenen umgegangen.
Vielleicht stimmte es, dass die Deutschen, die nach wie vor einen Waffenstillstand mit England erreichen wollten, Anweisungen hatten, sich zurückzuhalten. Aber schließlich, rief er sich ins Gedächtnis, waren die Besten der Wehrmacht nicht repräsentativ für die Kultur des

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