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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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weiteres Resultat des Krieges in Spanien, vermutete Ben, dieser großen Aufwärm-Veranstaltung, bei der die Deutschen gelernt hatten, wie man Zivilisten aus der Luft mit Maschinengewehren niedermähte, und die Briten, wie man Molotowcocktails baute.
    Im Lauf des Tages verschlimmerten sich Bens Kopfschmerzen.
    Ein Mann half ihm, als er stolperte. »Einfach immer einen Fuß vor den anderen setzen. In Frankreich war’s am Anfang genauso. Marschieren und marschieren. Man muss einfach weitermachen. Ich rate dir, an was anderes zu denken.« Er hatte einen so starken Akzent, dass Ben ihn kaum verstand. »Hast du ’n Mädel?«
    »Nicht direkt.«
    »Na, du bist ja ’n heller Bursche. Mach ein Kreuzworträtsel im Kopf. Das ist mein Rat.«
    Also ging Ben weiter und bemühte sich, die Kopfschmerzen zu ignorieren. Er versuchte, Probleme der Relativität wie Gödels wunderschöne Rotierende-Universen-Lösung von Einsteins Gleichungen zu visualisieren. Aber die Mathematik entglitt ihm immer wieder,
die Tensoren mit ihrem Wust von Indizes verschwammen zur Unsichtbarkeit.
    Bald hatte er Schwierigkeiten, das Tempo zu halten, und fiel ans Ende der kleinen Gruppe von Gefangenen zurück. Die deutschen Wachen stießen ihn mit ihren Gewehrkolben, brüllten ihn an, dass er Schritt halten solle, und fuhren ihm sogar mit ihren Fahrrädern von hinten in die Beine.
    Der Veteran protestierte: »Hey, immer mit der Ruhe, Funf 3 . Siehst du nicht, dass er krank ist?« Das brachte ihm Rufe auf Deutsch ein, wenn er nicht die Schnauze hielte, würde er herausgeholt und erschossen. Der Veteran verstand ihren Ton, wenn auch nicht die Worte. »Die Fronttruppen, die uns gefangen genommen haben, waren Gentlemen. Nicht so wie dieser Sauhaufen hier. Schau sie dir an, Automechaniker und Pferdeführer, Flaschenreiniger und Wurstmacher. Abschaum, alle miteinander.«

XX
    Mary machte sich an diesem Sonntagmorgen bereit, Georges Haus vor neun Uhr zu verlassen.
    Sie suchte ihre Habseligkeiten zusammen. Die Handtasche hängte sie sich unter dem Mantel über die Schulter, damit man sie ihr nicht so leicht entreißen konnte. Sie zögerte, ob sie die Rechercheresultate aus der Aktentasche mitnehmen sollte. Die seltsamen allohistorischen Fragen, denen sie seit ihrer Begegnung mit Ben Kamen nachgegangen war, schienen jetzt keine Rolle mehr zu spielen; sie kamen ihr angesichts der enormen Gewalttätigkeit überall um sie herum nicht einmal mehr real vor. Und dennoch – die Papiere nicht mitzunehmen, wäre wie eine Niederlage, als gäbe sie etwas von sich selbst auf, ein Stück ihrer Identität. Also stopfte sie die Papiere in den Rucksack, zu ihren Schlüpfern und Strümpfen.
    Dann trat sie aus dem Haus und verschloss erneut sorgfältig die Tür. Flugzeuge kreischten über sie hinweg, so dass sie zusammenzuckte, aber zumindest wurde die Stadt an diesem Morgen nicht angegriffen. Sie verließ die Altstadt, ging die schmalen, abschüssigen Straßen zur Küstenstraße hinunter und lenkte ihre Schritte unterhalb des imposanten West Hill mit
seiner normannischen Burg und der Flakstellung nach Westen. Sie hatte vor, am Bahnhof vorbeizugehen und dann die Bohemia Road zu nehmen, die zur Hauptstraße nach Battle führen würde.
    Die mit schwerem Gerät ausgestatteten Räumtrupps waren unterwegs gewesen und hatten die Straßen von Schutt befreit; sie hatten ihn einfach beiseite geschoben und auf Trümmergrundstücken und allen verfügbaren Freiflächen aufgetürmt. Aber die meisten Geschäfte waren verriegelt und verrammelt. Einige Ladenbesitzer hatten jedoch die Türen offen gelassen und Schilder darangehängt, auf denen BEDIENEN SIE SICH stand. Es gab weder Essbares noch Milch; sie sah nichts, was ihr von Nutzen sein würde.
    Aus Richtung des Hafens kamen Detonationen. Es war nur ein kleiner Fischereihafen; die von den Viktorianern nach Jahrhunderten des Kampfes gegen die Geografie gebauten Dämme waren inzwischen größtenteils verschlammt. Aber George hatte ihr von Plänen erzählt, ihn mit Geschützen und Torpedorohren zu verteidigen und am Ende zu zerstören. Funktionierende Häfen waren für die Deutschen von entscheidender Bedeutung; ohne sie würde es ihnen Probleme bereiten, ihre schwere Ausrüstung, Nachschub und Verstärkungen anzulanden. Gestern, zu Beginn der Invasion, hatten sie einen Fallschirmjägerangriff auf Dover gestartet, der fehlgeschlagen zu sein schien, aber heute gab es angeblich heftige Kämpfe in der Gegend von Folkestone.
    An der Bohemia Road

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