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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hinter ihnen überragte, stießen sie zum ersten Mal auf ernsthaften Widerstand. Dank des Panzers brauchten sie nicht lange, um damit fertig zu werden. Danach wurde der Widerstand jedoch häufiger, und die Kolonne geriet immer wieder ins Stocken. Oft konnte Ernst nicht einmal sehen, was weiter vorn vor sich ging. Er hörte das dumpfe Krachen von Explosionen, das Knallen von Schüssen aus Handfeuerwaffen, hin und wieder ein Donnern, wenn der Panzer seine Kanone abfeuerte, und er erblickte den Rauch von brennendem Benzin. Manchmal sahen sie eins oder mehrere ihrer eigenen Fahrzeuge, funktionsunfähig gemacht oder ausgebrannt und an den Straßenrand geschoben. Hin und wieder gab es ein paar Tote unter den Deutschen, ein steter Aderlass; Ernst sah die Leichen am Straßenrand, zugedeckt mit den Planen der fahruntüchtigen Lastwagen. Sanitäter flickten die Verwundeten zusammen.
    Und die Soldaten hielten Maulaffen feil, wenn sie an einem gesprengten MG-Unterstand aus aufgehäuften Sandsäcken oder einer weggeräumten Straßensperre aus Beton, Schienen und sogenannten Höckersperren, Reihen kleiner Betonkegel, vorbeikamen. Die Waffen in den gesprengten Unterständen und Bunkern wirkten
primitiv. Ernst sah einen Mörser, der den Eindruck erweckte, als wäre er vielleicht schon gegen Napoleon eingesetzt worden.
    Sie marschierten weiter. Jede Brücke war zerstört, und die Kundschafter mussten Stellen finden, an denen sie die Flüsse durchwaten konnten. Woanders stießen sie auf Gräben, die vielleicht dazu gedacht waren, Panzer zu stoppen, und die müden Männer kletterten auf der einen Seite hinunter und auf der anderen wieder hinauf. Diese Attacken waren bloße Nadelstiche, aber sie reduzierten die Truppenstärke der Kolonne stetig, schalteten ihre Fahrzeuge und Pferde aus und verbrauchten ihre Munition. Und noch wichtiger, ihr Vormarsch verlangsamte sich.
    Ein Pferd wurde von einer Mine getötet; es war eine groteske Explosion, die den Leib des Tieres zerriss und einen Schauer blutiger Fell- und Fleischfetzen auf die Männer herabregnen ließ. Sie machten eine Pause, während die Pioniere sich der Sache annahmen.
    An der Stelle, wo dies geschehen war, hatte man zwei britische Soldaten ergriffen; sie waren verwundet, aber lebendig und saßen auf dem Boden, die Hände über dem Kopf. Beide Männer schienen echte Uniformen der britischen Army zu tragen, mit flachen Stahlhelmen, Ledergamaschen, Stiefeln, Militärmänteln und Ledergürteln. Einer hatte sogar Offiziersstreifen. Aber auf ihren Armbinden stand HOME GUARD. Die beiden waren alt , erkannte Ernst schockiert im Vorbeigehen, mit grauen Haaren und tief gefurchten Gesichtern – alt genug, um sein Vater, wenn nicht
sogar sein Großvater zu sein. Vielleicht stimmten die Gerüchte, die seit Frankreich umgingen, dass die britischen Streitkräfte von der Katastrophe, die sie bei Dünkirchen ereilt hatte, tatsächlich stark dezimiert worden waren. Aber wenn diese Burschen auch alt, besiegt und gefangen sein mochten, sie saßen aufrecht da wie Soldaten. Einem lief Blut aus einer Kopfwunde in ein geschlossenes Auge, und sie schauten jedem Deutschen ins Gesicht.
    »Partisanen?«, fragte ein Mann leise.
    »Nein«, blaffte der Leutnant. »Sie können keine Partisanen sein, solange ihr Land nicht kapituliert hat, Breitling. Bis dahin sind diese Herren als Kriegsgefangene zu behandeln.«
    »Wir sollten sie abknallen, verdammt noch mal«, sagte Breitling. »Scheiß-Engländer. Warum können sie sich nicht einfach auf den Rücken rollen wie die Franzosen ?«
    »Lasst euch davon nicht unterkriegen, Leute«, sagte der Leutnant. »Schaut euch an, womit wir’s zu tun haben. Mit alten Männern und Kindern und museumsreifen Waffen. Wenn die Panzer am Dienstag rüberkommen, werden sie dieses Land wie einen Teppich aufrollen.«
    Aber später hörte Ernst, wie der Leutnant sich mit einem Offizier leise über den langsamen Vormarsch unterhielt, und dass sie dringend Treibstoff finden müssten, bevor der aus Frankreich mitgebrachte Vorrat erschöpft sei.
    Für Ben und die anderen Gefangenen war es kein
anstrengender Marsch. In der Mitte der Kolonne trotteten sie, umringt von Wachen, stetig dahin. Sie unterhielten sich leise, erzählten sich gegenseitig ihre Geschichten und schnorrten verstohlen Zigaretten voneinander. Sie schienen sich in ihr Schicksal ergeben zu haben, dachte Ben.
    Die Gefangenen mussten sich wie alle anderen vor den Angriffen der Widerstandskräfte schützen. Das war ein

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